Wir Grüne stehen für eine freiheitliche Gesellschaft im Sinne der Freiheit für alle. Aber die gibt es nur, wenn wir uns auch künftig trauen, die herrschenden Machtverhältnisse in Frage zu stellen. Dazu gehört als ein Baustein auch der Kampf gegen Big Business, denn durch die Konzentration wirtschaftlicher Macht wird gesellschaftliche Freiheit untergraben.
Seit über 30 Jahren sind wir eine liberale Partei. Die „Neuen sozialen Bewegungen“ der 60er und 70er Jahre sind explizite Freiheitsbewegungen. Die Frauenbewegung, der Kampf für die Rechte von Homosexuellen, der Einsatz für den Datenschutz: Die Wurzeln der Grünen sind Kämpfe für die Freiheit. Das gilt auch für unsere Wirtschaftspolitik. Wir haben uns immer dafür eingesetzt dem Markt klare Regeln zu geben. Im grünen Bundesprogramm von 1980 wird vor der „Konzentration wirtschaftlicher Macht in staats- und privatkapitalistischen Monopolen“ gewarnt, „in deren Folge die völlige Verseuchung und Verwüstung der menschlichen Lebensbasis droht.“ (Präambel).[1]
Wir Grüne kämpfen für eine wirtschaftliche Ordnung, in der wir ökologische Nachhaltigkeit, sozialen Ausgleich, Freiheit in der Lebensgestaltung und wirtschaftlichen Wohlstand verbinden können. Das heißt, dass wir Märkte begrenzen müssen. Sobald der Markt die gesamte Gesellschaft erfasst, kann die Gesellschaft nicht mehr frei darüber entscheiden, welche Güter wie bereitgestellt werden. Die Rolle des Marktes in der Gesellschaft zu definieren ist eben nicht nur eine wirtschaftspolitische Optimierungs-, sondern eine gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe. Dies bedeutet auch gegen Machtkonzentrationen in der Wirtschaft vorzugehen.
Um die Atomkraft zu Fall zu bringen, haben wir uns mit den großen Energiekonzernen angelegt. Und zwar mit Erfolg. Seit Jahren gehen wir gegen Monsanto vor und streiten für eine nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft. Wer das Finanzsystem stabilisieren will, muss ebenso gegen Großbanken Politik machen, das Reden über „too big to fail“ reicht nicht. Wer Datenschutz auch im 21. Jahrhundert will, muss sich mit Google und Co. auseinander setzen, und wer auf Kreislaufwirtschaft, lokale Wertschöpfung und Mittelstand setzt, muss Großkonzerne wie Starbucks in die Schranken weisen, die angesichts ihrer globalen Macht kaum noch Steuern zahlen, Staaten gegeneinander ausspielen und keinen Raum für fairen Wettbewerb lassen.
Doch genau diesen fairen Wettbewerb um die besten Ideen und Produkte für die Menschen brauchen wir, um erfolgreiche Innovationen für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft zu bekommen und um die Vermögenskonzentration in der Hand von Wenigen zu korrigieren. Mit dieser Auffassung stehen wir nicht allein, sondern können Anleihen bei den ordoliberalen Ökonomen und Juristen der Freiburger Schule machen. Für die war klar:
- Wettbewerb gibt es nur bei harten staatlichen Regeln und einer aktiven Wettbewerbspolitik. Sich selbst überlassen, tendiert die Wirtschaft zu Machtkonzentration und setzt den Wettbewerb außer Kraft.
- Die Kontrolle wirtschaftlicher Macht ist nötig, weil die gesellschaftliche Freiheit durch eine Vermachtung der Wirtschaft bedroht ist. Zum Beispiel wenn wirtschaftlich erfolgreiche Menschen einen starken Einfluss auf die Medien bekommen oder wenn Oligarchen die Politik eines Landes bestimmen.
Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte gibt der Freiburger Schule Recht: Gerade der Laissez-Fair-Liberalismus hat dahin geführt, dass globale Unternehmen ein zu großer Machtfaktor in Wirtschaft und Gesellschaft geworden sind. Freiheit und Recht sind heute bedroht durch die Akkumulation von Besitz und Geld, die die Reichen immer reicher werden lässt. Der Weltreichtumsbericht 2014 von Boston Consulting zeigt diese Tendenz zur Konzentration von privatem Eigentum und wirtschaftlicher Macht in wenigen Händen erneut deutlich auf. Die OECD warnt vor der Rückwirkung der Vermögenskonzentration auf die politische Willensbildung in unseren Gesellschaften. Damit ist die Verteilungsfrage an Vermögen und Produktionsmitteln nicht nur eine Gerechtigkeitsfrage, sondern auch eine Frage von Demokratie und Gleichberechtigung.
Wer für eine freie Gesellschaft ist, muss deshalb gegen wirtschaftliche Machtkonzentration und Big Business ankämpfen. Das ist übrigens – um auch das in diesem Forum klar zu sagen – ein explizit wirtschaftsfreundlicher Kurs. Denn wer sich für Wettbewerb einsetzt, kämpft auch für kleine und mittlere Unternehmen. Schließlich gibt es viele UnternehmerInnen, die messbare Nachteile dadurch haben, dass Big Business steuerliche Vorteile hat. Wirtschaftliche Chancen für alle können nur dann erstritten werden, wenn wir Grüne klar sagen, wer dem entgegen steht: Globale Konzerne und mächtige Lobbys, die den Wettbewerb außer Kraft setzen und die Politik für ihre Interessen einspannen. Und wenn wir mutig benennen, was wirtschaftspolitisch daraus folgt: Monopole müssen entflochten, weitere Zukäufe großer Unternehmen unterbunden und das „Rent-Seeking“ großer Konzerne durchbrochen werden.
In den letzten 30 Jahre waren wir Grüne immer wieder dort erfolgreich, wo wir aus inhaltlicher Überzeugung Auseinandersetzungen geführt haben, auch wenn wir zunächst in der Defensive waren. Daran müssen wir anknüpfen. Wir Grünen können den Freiheitsdiskurs aus unseren eigenen Wurzeln und Überzeugungen ableiten und sollten klar sagen, was für uns daraus heute folgt. 70 Prozent der grünen Anhänger wissen derzeit nicht, wofür unsere Partei steht. Das sollten wir als Auftrag verstehen, unser Profil zu schärfen und mit inhaltlicher Kompetenz und Klarheit wieder unterscheidbarer von anderen Parteien zu werden. Deshalb kann es auch nicht darum gehen, die FDP zu imitieren oder uns in deren Tradition zu stellen. Solch platte wahltaktische Überlegungen verwischen nur den eigenen Markenkern und bringen uns in die Nähe des Abgrunds der inhaltlichen Leere, an dem die FDP derzeit steht. Lasst uns statt dessen unsere grünen Überzeugungen ins 21. Jahrhundert fortschreiben. Dazu gehört ein klares wirtschaftspolitisches Profil, einschließlich des Muts, konsequent gegen Big Business vorzugehen.
17. Juni 2014 um 15:37
Die Grüne Jugend Hamburg hat in einer Pressemitteilung vom 09.06.2014 eine Ausnahmegenehmigung für Wundercar (Wc) gefordert. (Wc) ist keine Mitfahrzentrale wie gerne von Anhängern behauptet wird, sondern Wc hat das Geschäftsmodell des amerikanischen Unternehmens Lyft kopiert. Lyft ist eine App für Smartphones, die privat betriebene Taxis vermittelt. Bei Lyft kann jeder mit seinem eigenen Privatwagen zum Fahrer werden. Die angeschlossenen angeblichen privaten Fahrer bei Wc betreiben also kein Gewerbe! Um das Personenbeförderungsgesetz zu umgehen wird der Fahrpreis als Trinkgeld bezeichnet. Wc wird von VC-Firmen in Millionenhöhe Finanziert. Stark anzunehmen das hohe Gewinne erziehlen werden sollen. Stellen Sie sich mal vor dieses Modell macht zukunft. Woher soll der Staat noch Einnahmen erzielen? Die Grüne Jugend Hamburg hat in einer Pressemitteilung eine Ausnahmegenehmigung für Wc gefordert. Es wäre doch aufklärend ob Sie der meinung wäre man sollte Wc vom PBefG befreien
22. Juni 2014 um 8:00
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, sich auf den Ordoliberalismus der Freiburger Schule zu berufen um gegen den Laissez-faire Liberalismus zu wettern. Es war gerade das ordoliberale Deutschland, wo die Marktgläubigkeit jahrzehntelang überwintert hat und das zeigt sich auch in deinem Werben für "fairere Märkte", wie tief diese Marktgläubigkeit selbst bei grünen Kritikern im Denken verwurzelt ist.
Dabei gibt es ein viel stärkeres Konzept: Kooperation, also Zusammenarbeit. Die Unternehmen sind deswegen so groß, weil sie gigantische Investitionen stemmen müssen. Wettbewerb ist da ein Störfaktor, weil er unnötige Risiken einbringt. Ein großer Konzern eliminiert Wettbewerb zu Gunsten von Kooperation, damit er die Aufgaben, die z.B. mit der Entwicklung und Produktion eines Autos verbunden sind, stemmen kann. Nur durch effektive Zusammenarbeit können Autos produziert werden, die zugleich qualitativ hochwertig und für jeden bezahlbar sind.
Auch wir Grünen haben mit dem EEG weniger auf Wettbewerb gesetzt als auf Kooperation. Das drückt sich darin aus, dass wir den Produzenten von grünem Strom Einnahmen zusichern, die am Markt nicht zu erzielen sind, um ihre Mitarbeit an der Lösung der Energiefrage zu ermöglichen. Wenn Märkte wirklich so effizient wären, wie behauptet, wäre das nicht nötig. Es ist vielmehr auch hier so, dass Märkte eher Lösungen verhindern, weil sie sie mit einem Risiko belasten.
Das Problem großer Konzerne ist nicht ihre Größe und auch weniger die Steuerflucht, die ja politisch gewollt ist. Steuerflucht ist das Produkt politischen Handelns, das den Wettbewerb von einem Wettbewerb zwischen Individuen und Unternehmen auf einen Wettbewerb zwischen Staaten ausgedehnt hat. Deswegen debattieren wir innerhalb der EU auch, dass bestimmte Länder "wettbewerbsfähig werden" müssen. Auch "Freihandelszonen" entspringen dieser Logik, dabei sind Zölle ein wunderbares Instrument der Regulierung. Ohne Zölle und andere Regulierungsinstrumente hätte sich keine weitere Volkswirtschaft gegenüber dem ersten kapitalistischen Land Großbritannien je behaupten können.
Die Antwort auf die wachsende Macht der Konzerne ist nicht mehr Markt sondern mehr Demokratie. Demokratie in den Konzernen, also mehr Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer aber vielleicht auch durch die Bürger insgesamt. Wenn dort wesentliche Entscheidungen getroffen werden, dann kann das nicht auf eine totalitäre und autoritäre Art geschehen.
Und dann sollte man sich auch die Frage stellen, ob das Ziel, Gewinne zu erwirtschaften, immer ein geeignetes Ziel ist. M. Yunus macht in seinem Buch "Social Business" deutlich, wie wesentlich die Zielsetzung für das Ergebnis ist, das ein Unternehmen erzielt, und dass man sich als Unternehmen auch andere Ziele setzen kann.
Und dann sollte man bei aller Marktgläubigkeit nicht vergessen, welchem Zweck Märkte ursprünglich dienen sollten: der Reduzierung von Komplexität bei der Organisation von Zusammenarbeit der Bürger eines Landes. Heute stehen uns viel bessere Werkzeuge zum Umgang mit Komplexität zur Verfügung: Computer.
Statt also auf antiquierte Vorstellungen zurückzugreifen, wie die der Freiburger Schule, die für jede Menge Probleme steht, sollten wir eher nach Vorne blicken und neue Ideen und Vorstellungen entwickeln, wie sich Zusammenarbeit besser organisieren lässt. Die Märkte dürfen dabei gerne weiter eine Rolle spielen, allerdings sollten wir auch Dinge einbringen, wie z.B. Basisdemokratie. Oder die Zusammenarbeit der Nationen bei der Lösung von Problemen statt sie in einen Wettbewerb zu hetzen – damit könnte man in der Eurozone sofort anfangen. Oder neue Unternehmens- und Gesellschaftsformen, bei denen sich Unternehmen verbindliche Ziele geben und basisdemokratisch organisiert sind.
8. Juli 2014 um 15:04
Vielen Dank für den Beitrag ! Ich hoffe, daß weite Grüne Teile, besonders der Jugend, reflektieren, inwieweit Sie nicht für neoliberales Gedankengut ,in der Vorstellung damit irgendwie fortschrittlich zu sein, instrumantalisieren lassen. z.b Taxis sind out, Googles Upper ist In, Gesetzte die es gibt, und auch aus der sozialmarktwirtschaftlichen Veratwortung heraus formuliert wurden, werden als rückständig klassifiziert, die es im Zuge des Fortschritts zu ändern wären. Die EU hat aktuell für die Betrachtung der zukünftigen Digitalen Fragestellungen die Devise " Follow the money" formuliert. Sehr richtig.
7. November 2014 um 23:54
70 Prozent der grünen Anhänger wissen derzeit nicht, wofür unsere Partei steht.
Ja, das ist doch jetzt schon eine Katastrophe. Die kommenden Wahlen werden dies bestätigen.
Es wäre so einfach für die Dinge einzustehen, die das GRÜNE so groß gemacht hat.
Zum Beispiel die FRIEDENSINITIATIVEN, fast keiner bei den Grünen hat es auf dem Plan.
Die NATO sagt wo es lang geht, anscheinend auch bei Bündnis 90 Die Grünen.
Liebe Grüße
ein noch Grüner
PROFIT, PROFIT igitt igitt