– Mobilität im grünen Europawahlprogramm –
Ein übersichtliches Kapitel mit einer durchaus begrüßenswerten Konzentration auf zentrale Punkte bietet der Entwurf des grünen Europawahlprogramms zum Themenfeld Mobilität und Verkehr.
Die vorliegenden Änderungsanträge, mehrheitlich von der zuständigen BAG formuliert, stellen zum größten Teil sinnvolle Präzisierungen und kleine Ergänzungen dar und sehen davon ab, den Text zu zerschwafeln. Sogar sinnvolle Kürzungsvorschläge sind zu finden, etwa die Streichung zweier Sätze aus der Abteilung „wenig zielorientiertes Gegnerbashing“.
Neben gewohnten Standards grüner Mobilitätspolitik fordern wir für die Europäische Ebene vor allem einen stärkeren Schwerpunkt auf den grenzüberschreitenden Verkehr. Derzeit ist es leider immer noch üblich, dass der Horizont vieler EU-Staaten an der eigenen Landesgrenze endet und die Politik gerne die Bedürfnisse manches Tunnelbauunternehmens berücksichtigt, weniger jedoch der Menschen, die sich in Europa fortbewegen wollen. Ärgerliche Infrastrukturlücken kennen die meisten von uns vor allem aus dem Bahnverkehr. Der mehrfache Wunsch, auch Erleichterungen im Betrieb, zum Beispiel beim Fahrkartenkauf, ausdrücklich zu erwähnen, wird hoffentlich auch noch Eingang finden. Hier muss dem Trend zum fahrgastunfreundlichen Globalpreissystem etwas entgegengesetzt werden. Für die Fahrt von Joensuu nach Sevilla mit Bahn und Fährschiff sollte nur noch eine Buchung erforderlich sein.
Einige der vorgeschlagenen Präzisierungen halte ich für erwähnenswert, auch weil die Vorlage hier von einer gewissen Nachlässigkeit kündet und daher ein schärferes Problembewusstsein angebracht ist.
Die Bedeutung des Mobilitätssektors für den Klimaschutz quantitativ zu beziffern ist wichtig, damit das nicht als vermeintlicher Nebenaspekt untergeht, was er nicht ist. Leider findet oft eine begriffliche Vermischung zwischen „Klimaschutz“ und „Energiewende“ statt, so dass die Klimaschutzpolitik in den Bereichen Mobilität und Agrar ein wenig unterzugehen droht. Natürlich sind diese Bereiche anspruchsvoller, weil hier ganz konkrete Änderungen im individuellen Lebensstil gefordert werden müssen, aber es kann nicht im grünen Sinne sein, sich davor zu drücken.
Die geforderte Technikneutralität bei der Umstellung auf ressourcenschonende Antriebe schützt davor, den Fetisch Auto durch einen grün schimmernden Fetisch Elektroauto zu ersetzen.
Mit Abstand das „heißeste“ Thema ist aber der Lärmschutz. In der BAG war es unstrittig, dieses wichtige Element grüner Verkehrspolitik nicht nur am Rande zu behandeln. Dazu wurde vorgeschlagen, auf Grundlage von Formulierungen aus dem letzten Bundestagswahlprogramm eine wesentliche Ergänzung vorzunehmen. Auf Anregung hauptsächlich aus NRW gibt es zudem noch einen weiteren Vorschlag, der die Handlungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene präziser berücksichtigt.
Auf dem BAG-Konvent im Dezember war die Mobilitätsabteilung daher etwas überrascht, dass etwa das grundsätzliche Ziel, nächtliche Starts und Landungen an Flughäfen zu verbieten, keineswegs von allen Grünen so geteilt zu werden scheint. Dabei spielte wohl nicht nur die Angst eine Rolle, an irgendeiner Stelle noch den Begriff „Verbot“ zu verwenden (Thorsten Denkler hat mal danach gesucht und fand nur sinnvolle Verbote). Auch fliegen manche Grüne halt doch recht gern und möchten diesen vermeintlichen Komfort nur ungern einschränken.
Der Fluglärm, von dem wir reden, führt in der Praxis dazu, dass in den betreffenden, zumeist dicht besiedelten Regionen viele Menschen keinen regelmäßigen durchgehenden Schlaf mehr genießen können. Natürlich ist die Lärmempfindlichkeit individuell unterschiedlich. Aber wir müssen in diesem Punkt eben immer wieder die Frage aufwerfen, wofür wir erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen vieler Menschen eigentlich in Kauf nehmen wollen.
Der exemplarische Charakter dieser Debatte ist hoch, denn es geht darum, wie sehr sich in manchen Bereichen unsere Maßstäbe inzwischen verschoben haben. Der grüne Kern der Nachhaltigkeit und Schutz der Lebensgrundlagen bedeutet aber genau, dass wir dafür manche Lebensweise in Frage stellen müssen. Eine Debatte darüber zu führen wäre gut.
12. Januar 2014 um 0:22
Von Joensuu in Ostfinnland nach Sevilla in Südwestspanien, ca. 4.900 km über Land in 85 Bahnstunden – interessanter Interrail-Tripp …
Da würde mich der Vergleich mit einem Flug in energetischer und ökologischer Sicht schon mal näher interessieren ,,,
12. Januar 2014 um 12:44
Die von der Fahrplanauskunft angezeigte Route über St. Petersburg und Minsk ist nicht die schnellste Verbindung. Mit der Fähre Turku–Stockholm und der Metro Strockholm geht das über Helsinki Pasila, Turku satama, Stockholm hamn, Stockholm Central, København H, Köln Hbf, Paris-Nord, Paris-Lyon, Barcelona-Sants in 74 Stunden. Das ist aber Teil des Problems, dass diese Fähren nicht in die Fahrplanauskunft integriert sind. Und hätte die RENFE nicht die meisten Nachtzüge abgeschafft, gings noch schneller.