Geschlechtergerechtigkeit und eine aktive Gleichstellungspolitik sind zentrale Anliegen GRÜNER Politik und prägen von jeher unser Grundverständnis. Und das gilt flügelübergreifend. Für unser grünes Alleinstellungsmerkmal, die eigenständige Existenzsicherung, streiten wir offensiv und konsequent und das zeigt sich auch fast durchgehend in unserem grünen Programm. Sei es in Fragen der Antidiskriminierung oder auch dann, wenn es ums Grundsätzliche geht, sprich, ob jede und jeder individuell und auf Augenhöhe ernst genommen und abgesichert wird.
Die jüngere Geschichte der Sozialdemokraten zeigt hier ein gespaltenes Bild. Unter Schröder war die Frauenpolitik noch Gedöhns, wurde – nicht nur verbal – gerne mal abgewertet und zumindest von der männlich dominierten Führung nicht sonderlich ernst genommen. Heute leistet sich die SPD ein schickes, sicherlich auch teures Online-Portal, das SPD fem-net, und geht strategisch auf die jüngeren Frauen mit Veranstaltungen wie dem Barcamp-Frauen zu.
Zeigt sich dieser Wandel jedoch auch programmatisch oder gibt es hier nur viel Show und wenig Substanz?
Zu Beginn etwas erfreuliches. Ein erster Vergleich unserer beiden Programme zeigt viele Gemeinsamkeiten. Gemeinsam mit der SPD wird es, sollte auf beiden Seiten das Programm ernst genommen werden, kein Problem sein, das Betreuungsgeld abzuschaffen und das so frei werdende Geld in den Kita-Ausbau zu stecken. Auch ein Entgeltgleichheitsgesetz kann in einer rot-grünen Regierung schnell Realität werden. Sowohl wir GRÜNE als auch die SPD streben einen deutlich höheren Frauenanteil in der Wissenschaft über ein Kaskadenmodell an und bei der Frage einer Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen börsennotierter Unternehmen herrscht ebenfalls weitestgehend Einigkeit.
Besonders erfreulich ist, dass wir offensichtlich gemeinsam auch an das Thema Arbeitszeit mit einer klaren Geschlechterperspektive herangehen wollen. Allem voran mit einem Rückkehrrecht auf Vollzeit und dem Wunsch, mittels unterschiedlichster Maßnahmen eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit zu ermöglichen und zu fördern.
In der oberflächlichen Betrachtung scheint also alles gut. Doch wie so oft steckt der Teufel auch in Sachen Frauenpolitik und Anerkennung von Lebensrealitäten im Detail.
So überwiegt zwar Einigkeit in der Problemanalyse, doch in der Frage der konkreten Problemlösung verbirgt sich jede Menge Konfliktpotential.
Deutlich wird dies bei unserem gleichstellungspolitischen Leitbild: Der eigenständigen Existenzsicherung. Schon der Begriff taucht im SPD-Regierungsprogramm nicht einmal auf. Worum jedoch geht es uns? Es geht uns ums Ganze und somit um einen notwendigen und überfälligen Paradigmenwechsel. Wir wollen weg von abgeleiteten Ansprüchen hin zu einer eigenständigen, individuellen Existenzsicherung, die es Frauen und Männern ermöglicht, sich gleichberechtigt und auf Augenhöhe zu begegnen. Dazu gehören für uns schier unzählige Reformvorschläge und Maßnahmen. Wir nehmen dazu die Lebensverlaufsperspektive als Ausgangspunkt – so, wie es auch der von der schwarz – gelben Bundesregierung verschmähte Gleichstellungsbericht tut und das unterscheidet uns von der SPD.
Doch was heiß das konkret. An vielen Stellen fehlt der SPD der Mut auch ans „Eingemachte“ zu gehen. Bestes Beispiel: Die Minijobs. Das Problem erkennt die SPD sehr wohl: Minijobs verdrängen reguläre, ordentlich abgesicherte Stellen, sind eben keine Brücken in den ersten Arbeitsmarkt, setzen negative Erwerbsanreize für Frauen und drängen sie in Altersarmut. Nur bieten sie keine Lösung. Nun sind wir auch nicht gerade abschließend konkret bei dem Thema, machen aber das Ziel deutlich: Wir wollen das Ende der Subventionierung nicht existenzsichernder Arbeit durch ein neues Abgabensystem, bei dem ab dem ersten Euro eigenständige Ansprüche in den Sozialversicherungen gesammelt werden. Die SPD will trotz all den Fehlanreizen und negativen Folgen offensichtlich am Modell Minijob festhalten und es nur durch flankierende Maßnahmen, wie den Mindestlohn, ein wenig begrenzen. Leider reine Symptombekämpfung, an die Wurzel geht das nicht.
Auch beim Ehegattensplitting fehlt den sozialdemokratischen FreundInnen Mut. Um sich nicht die Wut der BesitzstandswahrerInnen und aktuellen ProfiteurInnen des Ehegattensplittings auszusetzen, soll es nur für „Neuehen“ abgeschafft werden. Eine massive Ungleichbehandlung, die sich sicherlich vor dem Bundesverfassungsgericht wieder finden wird, wenn es hier keine Bewegung gibt. Da sind wir GRÜNE mit unserem Modell über einen über ca. 10 Jahre hinweg schwindenden Splittingdeckel deutlich besser aufgestellt. So werden auch genug Mittel für eine echte Familienförderung frei und im Zusammenhang mit der Reform der Minijobs bauen wir Barrieren zum regulären Arbeitsmarkt deutlich schneller ab.
Last but not least – und deshalb nicht weniger problematisch – stehen noch die Bedarfsgemeinschaften auf dem Zettel. Hier wird der Unterschied am deutlichsten. Während die SPD an der Stelle überhaupt keinen Änderungsbedarf sieht, setzen wir auch hier auf eine eigenständige, individuelle Absicherung. Jede und Jeder soll einen individuellen Anspruch auf das gesetzlich garantierte soziokulturelle Existenzminimum haben. Wir alle wissen: Abgeleitete Ansprüche führen in Abhängigkeiten und verhindern eine Begegnung auf Augenhöhe. Auch wenn es hier noch langwieriger Reformprozesse bedarf, muss allen klar sein: Eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen, kann und wird es mit den Bedarfsgemeinschaften nicht geben.
Kurz zusammengefasst ergibt sich also ein vorsichtig optimistisches Bild. Viele Projekte können schnell gemeinsam umgesetzt werden, so Rot-Grün das will. Die SPD scheint verstanden zu haben, dass Frauenpolitik alles andere als Gedöhns ist. Hoffen wir, dass sich dieser Eindruck auch nach der Wahl noch hält. Doch bis dahin gilt es, auch frauenpolitisch für eine rot-grüne Mehrheit zu kämpfen. Natürlich mit starken GRÜNEN, dann klappt’s auch mit der eigenständigen Existenzsicherung und echter Geschlechterdemokratie, die unterm Strich allen nützt.