Die Landtagswahl in Niedersachsen ist für uns Grüne ein großartiger Erfolg. Wir haben unser Wahlergebnis um 5,7 Prozentpunkte auf 13,7 Prozent gesteigert. Das ist das mit Abstand beste grüne Ergebnis in der Geschichte bei niedersächsischen Landtagswahlen. Damit haben wir eine rot-grüne Mehrheit möglich gemacht. Jetzt werden wir in Niedersachsen den Politikwechsel einleiten und haben mit diesem Wahlerfolg nun auch eine rot-grüne Mehrheit im Bundesrat. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die kommenden Monate und die Bundestagswahl?
Die Wahl in Niedersachsen zeigt drei Punkte klar auf:
1. Wir haben in Niedersachsen einen starken Themenwahlkampf geführt. Während die anderen Parteien eine weitgehend inhaltsleere Kampagne gefahren haben, haben wir vor allem auf landespolitische Themen gesetzt und sind damit in der Presse und bei Aktionen sowie Veranstaltungen vor Ort präsent gewesen: Eine konsequente Energiewende, bäuerliche Landwirtschaft statt Agrarfabriken, eine neue gemeinsame Bildungspolitik, gegen Studiengebühren, eine andere Verkehrspolitik (gegen Autobahnen und die Y-Trasse, für mehr ÖPNV), eine humane Flüchtlingspolitik, für ein Mindestlohngesetz, schneller KiTa-Ausbau etc. Das war ein inhaltlicher eigenständiger Wahlkampf mit eindeutigen und zugespitzten Positionen. Die Wählerinnen und Wähler danken uns das und bescheinigen uns in Niedersachsen die höchste Kompetenz in den Bereichen Energie, Umwelt, Landwirtschaft sowie bei der Glaubwürdigkeit.
2. Wir haben vor allem genau mit den Positionen gepunktet, die das Gegenteil zur CDU-Politik sind: Ganz besonders deutlich wurden diese Differenzen zur CDU in der Agrarpolitik, der Bildungspolitik, der Verkehrspolitik, beim Thema Mindestlohn, Atommüll und in der Flüchtlingspolitik. Die CDU hat diesen wachsenden Zuspruch für grüne Inhalte genau registriert und dem eine Schmutzkampagne mit Falschbehauptungen entgegengesetzt. Mit dieser inhaltlichen Polarisierung „Grün oder Schwarz“ haben wir den Wählerinnen und Wählern deutlich gemacht, dass wir die Alternative zur CDU-geführten Landesregierung sind. Damit haben wir ein Rekordwahlergebnis erzielt.
3. Wir haben in Niedersachsen einen klaren rot-grünen Wechselwahlkampf geführt. Unsere Differenzen mit der SPD, etwa in der Verkehrspolitik, haben wir dabei nicht verschwiegen, aber wir haben die Gemeinsamkeiten mit der SPD in vielen Politikfeldern nach vorn gestellt und haben deutlich machen können, dass es uns um einen Politikwechsel und nicht bloß um einen Regierungswechsel geht. Wir haben frühzeitig im Herbst 2012 Schwarz-Grün aus inhaltlichen Gründen im Wahlprogramm und in den Medien ausgeschlossen und haben dadurch öffentlichen Spekulationen über eine Koalition aus CDU und Grünen verhindert. Die CDU hat Schwarz-Grün dann drei Wochen vor der Wahl Anfang Januar öffentlich ausgeschlossen.
Mit der klaren Absage an Schwarz-Grün konnten wir WählerInnen, die Rot-Grün wollen, motivieren, Grün zu wählen, da Schwarz-Grün im Gegensatz zur großen Koalition explizit und glaubwürdig ausgeschlossen war. Auch das hat zu unserem guten Ergebnis geführt. Alle Umfragen zeigen: Ein großer Teil der potentiellen Grünen-WählerInnen ist bei Spekulationen über Schwarz-Grün nicht bereit, uns zu wählen. Niedersachsen hat gezeigt, dass es uns mit einem klaren inhaltlichen Kurs für Rot-Grün und einer Absage an schwarz-grüne Gedankenspiele gelungen ist, WählerInnen zu mobilisieren.
Wir haben in Niedersachsen wie schon bei anderen Wahlen vor allem WählerInnen von der SPD (etwa 50.000) gewonnen und ehemalige NichtwählerInnen (etwa 60.000) mobilisiert. Mit großem Abstand folgen WählerInnen-Zugewinne von der CDU und der Linkspartei (20.000 bzw. 17.000). Der Zugewinn von ehemaligen FDP-WählerInnen fällt mit weniger als 10.000 Stimmen noch geringer aus. Es zeigt sich also, dass wir mit unserer Zuspitzung auf die Konstellation Rot-Grün statt Schwarz-Gelb insbesondere ehemalige SPD-WählerInnen und ehemalige NichtwählerInnen für uns gewinnen konnten.
Für die Bundestagswahl ergeben sich daraus wichtige Konsequenzen:
Wir sollten uns trauen, inhaltlich eigenständige und eindeutige Positionen nach vorne zu stellen und nicht dem Irrglauben erliegen, wir könnten mit inhaltlichen Wischi-Waschi-Themen sowohl im linken als auch im rechten Lager punkten. Die Wählerinnen und Wähler merken, ob Parteien und ihre Programme voneinander unterscheidbar sind oder nicht. In Niedersachsen hatten wir großen Erfolg mit einer klaren und teilweise polarisierenden Themensetzung. Genau das sollten wir auch in den kommenden Monaten machen.
Auch im Bundestagswahlkampf sollten wir weiter ganz klar auf einen rot-grünen Politikwechsel setzen, den wir auf Länderebene bereits in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und auch bald in Niedersachsen umsetzen. Mit der CDU und der CSU haben wir keine gemeinsame inhaltliche Basis und Schwarz-Grün-Diskussionen schaden unserem Wahlkampf und unserer Glaubwürdigkeit. All diejenigen, die immer noch gern über Schwarz-Grün spekulieren, haben dafür spätestens nach dem rot-grünen Wahlerfolg in Niedersachsen keine Argumentationsgrundlage mehr.
Sven-Christian Kindler ist grüner Bundestagsabgeordneter aus Hannover, Niedersachsen.
Gesine Agena ist Mitglied im Parteirat von Bündnis 90/Die Grünen und kommt aus Ostfriesland, Niedersachsen.