Die Rente ist wieder in aller Munde. Seit ein paar Monaten vergeht kaum ein Tag ohne eine neue Alarmmeldung. Während SPD und CDU inzwischen hektisch nach einem Konzept suchen, hat unser Bundesvorstand vor zwei Jahren eine parteiinterne Kommission einberufen, um in Ruhe Grüne Positionen zu erarbeiten. Die Rentenkommission hat dem Bundesvorstand im Wesentlichen einen einstimmigen Vorschlag vorgelegt, der hoffentlich so von der BDK abgesegnet wird.
Wir können sehr zufrieden mit dem Ergebnis sein. Wir sind die einzige Partei, die auch Selbständigen, Menschen mit niedrigen Einkommen, Patchworkern und insbesondere auch Frauen mit ihren unterbrochenen Erwerbsbiographien die realistische Chance geben will, sich eine eigene Rente zu erarbeiten. Sie sollen im Alter nicht mehr zum Amt gehen und um Sozialhilfe bitten müssen.
Drei wichtige Punkte sind allerdings noch kontrovers und werden auf der BDK in Münster entschieden: anwachsende Garantierente, Niveaustabilisierung mittels Beitragserhöhung und Riesterförderung.
1. Anwachsende Garantierente?
Unser zentrales Instrument zur Armutsvermeidung ist die Grüne Garantierente. Personen mit 30 Versicherungsjahren sollen 30 Rentenpunkte garantiert bekommen. Das sind derzeit 913 Euro. Das ist nicht nur mehr als Grundsicherung, es soll jetzt auch als normale Rente ausbezahlt werden und nicht mehr als eine Form der Sozialhilfe. Die Anspruchsberechtigten müssen also nicht mehr nachweisen, dass sie bedürftig sind. Sie dürfen ihre Ersparnisse, ihre Riesterrenten oder ihre betriebliche Altersvorsorge vollständig behalten.
Ein Teil der Rentenkommission meint allerdings, dass es keinen Unterschied machen soll, ob man dreißig Jahre ein paar Stunden in der Woche gearbeitet hat und sich einen Rentenanspruch von 300 Euro erarbeitet hat oder ob man nach 45 Jahren Vollzeit einen Rentenanspruch von 899 Euro hat. In beiden Fällen soll die Garantierente 900 Euro betragen.
Ein anderer Teil der Rentenkommission, zu dem auch ich gehöre, ist hingegen der Meinung, dass die Garantierente nicht gedeckelt sein soll: 900 Euro wären lediglich ein Minimum nach 30 Versicherungsjahren. Höhere Rentenansprüche sollen auch zu einer höheren Garantierente führen. Beispiel: Ein Rentenanspruch von 600 Euro würde auf 900 Euro aufgestockt, einer von 800 Euro auf 1.000 Euro und einer von 1.000 Euro auf 1.100 Euro. So würde man das Rentenniveau bis in die Mittelschicht anheben.
Die anwachsende Garantierente ist uns auch familienpolitisch wichtig. Wir wollen es Menschen, die eine Elternzeit genommen haben, möglichst leicht machen, wieder in ihren Beruf einzusteigen. Dazu gehört auch eine höhere Rente, sonst sind ihre Rentenbeiträge wertlos und halten sie davon ab wieder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufzunehmen. Mehr Info hier.
2. Rentenniveau durch höhere Beiträge stabilisieren?
Laut OECD Statistik hat nur Mexiko ein schlechteres Rentenniveau für Menschen mit niedrigen Einkommen als Deutschland. Wenn auch Personen mit Mindestlohn nach 45 Jahren Vollzeittätigkeit mehr Rente als Grundsicherung erhalten sollen, müsste das Rentenniveau von heute 48% auf etwa 60% angehoben werden, so wie dies in fast allen anderen Ländern der OECD üblich ist.
Wenn demnächst die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird das Rentenniveau noch dramatisch weiter fallen. Dies wollen wir verhindern, indem wir die versicherungsfremden Leistungen in der Rente über Steuern finanzieren, indem wir für vernünftige Erwerbsbeteiligung von Frauen und für faire Löhne sorgen, und indem wir ausreichend Zuwanderung ermöglichen. In der Rentenkommission haben wir einstimmig empfohlen, das Niveau auf diese Weise zu stabilisieren. Wir wollten allerdings nicht die Nachkommastelle garantieren, weil uns wichtig war, die Beiträge möglichst nicht zu erhöhen (nur als ultima ratio).
Inzwischen haben die Gewerkschaften eine Rentenkampagne gestartet. Sie wollen das Rentenniveau mindestens auf dem heutigen Niveau stabilisieren und dazu die Beiträge anheben. Angesichts dessen hat sich der Bundesvorstand entschlossen, ebenfalls das heutige Rentenniveau zu garantieren und dafür Beitragserhöhungen nicht auszuschließen.
Falls wir uns auf der BDK nicht auf eine anwachsende Garantierente einigen können, ist dies jedoch hoch problematisch. Dann würden nämlich sehr viele Menschen in jungen Jahren zwar höhere Beiträge zahlen, aber im Alter doch nur auf 900 Euro aufgestockt. Insbesondere für Frauen mit ihren unsteten Erwerbsbiographien wäre die Beitragserhöhung extrem ungerecht. Es macht für eine alleinerziehende Mutter und ihre Kinder sehr viel aus, ob sie 50 Euro mehr oder weniger zum Leben haben. Ob ihre spätere Rente jedoch von 593 Euro oder von 620 Euro auf 900 Euro Garantierente angehoben wird, macht überhaupt keinen Unterschied.
Eine Beitragserhöhung ohne gleichzeitig die anwachsende Garantierente zu beschließen, sollten wir also unbedingt ablehnen. Wir Grüne vertreten schließlich nicht hauptsächlich männliche Facharbeiter wie die Gewerkschaften. Mehr Info hier.
3. Riesterförderung
Die Riesterrente ist gescheitert. Nur etwa 20% der Anspruchsberechtigten riestern im vollen Umfang. Für Geringverdiener*innen lohnt riestern nicht, weil die Riesterrente auf die Grundsicherung angerechnet wird. Außerdem ist die Rendite der Riesterverträge deutlich schlechter als prognostiziert und die Kosten sind viel zu hoch. Die Rentenkommission hat daher empfohlen, einen Bürgerfonds nach schwedischem Vorbild ins Leben zu rufen, sprich ein einfaches, kostengünstiges und öffentlich verwaltetes Basisprodukt für die private und für die betriebliche Altersvorsorge. Dies ist ein attraktives Angebot.
Umstritten ist, ob die Riesterrente trotzdem weiter steuerlich gefördert werden soll. Zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der Rentenkommission meine ich, dass wir auf die Förderung neuer Riesterverträge verzichten und die frei werdenden Mittel für die anwachsende Garantierente verwenden sollten.