Die BDK in Halle stand unter dem Motto „Mit Mut im Bauch“. Mit Mut fahren wir auch zurück. Denn auch wenn Teile der Partei in den Landesregierungen Gesetzen zustimmen, die unseren politischen Zielen diametral gegenüberstehen, so bleibt die BDK unseren Grundsätzen treu. Eine subjektive Bilanz der BDK aus grün-linker Sicht.
Mit über 170 Änderungsanträgen war der Antrag E-01 zur Einwanderungs- und Asylpolitik der umstrittenste Antrag im Vorfeld der BDK. Zwar konnten sich bei den am Ende noch verbliebenen Abstimmungen die linken Vertreter*innen nicht durchsetzen, dennoch: Der Antrag wurde durch die vielen Änderungsanträge substantiell überarbeitet und deutlich verbessert. So lehnen wir nun die geplanten Verschärfungen der Großen Koalition (Kompromisspapier vom 05.11.2015) ab und kritisieren die falschen Maßnahmen des Asylkompromisses.
Im konkreten sprechen wir uns dagegen aus,
- den Familiennachzug einzuschränken oder auszusetzen,
- die Verfahrensrechte zu beschränken,
- die Residenzpflicht durch die Hintertür wieder einzuführen,
- dass Transitzonen an den EU-Außengrenzen errichtet werden,
- dass Geflüchtete aus Afghanistan schneller abgeschoben werden sollen,
- das Konstrukt „Sichere Herkunftsländer“ weiter beizubehalten – wir wollen es abschaffen,
- Geflüchtete sechs statt drei Monate in Erstaufnahmezentren unterzubringen,
- und Geld- auf Sachleistungen umzustellen.
Der Parteitag fordert die grün mitregierten Länder explizit auf, den durch die Soll- und Kann-Regelungen entstanden Spielraum großzügig im Sinne der Geflüchteten auszulegen. Dieser Gestaltungsspielraum muss genutzt werden und darf nicht nur auf dem Papier bestehen. Daran gilt es nun, unsere Landesregierungen zu messen, schließlich regieren wir in neun Ländern. Für die Zukunft verpflichten wir uns, die erzwungenen Verschärfungen bei veränderten politischen Mehrheitsverhältnissen wieder rückgängig zu machen.
Es hat sich gezeigt, dass die substantiellen Änderungsanträge, genauso wie die Änderungsanträge zur Tonalität den Leitantrag des Bundesvorstands aus linker Sicht erheblich verbessert haben.
Ein linker Erfolg! Doch nun gilt es, dass wir alle auch die jeweiligen Landesregierungen darauf verpflichten und aktiv nachhaken, inwiefern sie diese Beschlüsse umsetzen. Schließlich ist die BDK das höchste beschlussfassende Gremium unserer Partei.
Rede von Sven Lehmann: https://www.youtube.com/watch?v=9xIkx23d5l8
Arbeitszeitpolitik
Das wir uns auf dem Parteitag so umfassend und ausführlich dem Thema Arbeitszeitpolitik widmeten, ist ein großer Erfolg aus linker Sicht. Nicht nur betrifft diese Frage unglaublich viele Menschen, es geht dabei um eine zentrale Frage der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Arbeitszeitpolitik ist kein Latte-Macchiato-Thema, sondern ein Politikfeld, mit dem wir Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern aber auch zwischen denen, die viel und denen, die wenig arbeiten, umverteilen wollen. Zum Leitantrag des Bundesvorstands gab es diverse Änderungsanträge aus dem Realo-Lager, die den Antrag entkernen und die Gerechtigkeitsbotschaft streichen wollten. Leider wurden die meisten dieser Änderungsanträge zurückgezogen, so diejenigen von UnternehmensGrün und einige von Dieter Janecek, Robert Habeck und anderen. Am Ende blieb eine wichtige Abstimmung zwischen Dieter Janecek und dem Bundesvorstand, die klar zugunsten des Vorstandes ausging. Mit dem Beschluss zur Arbeitszeitpolitik haben wir für den Wahlkampf die besten Voraussetzungen geschaffen. Hier hat sich wieder gezeigt, dass wir vor allem durch programmatische Arbeit und gut vorbereitete Prozesse punkten können. Ein entscheidender Schritt, gerade mit Blick auf die aus linker Sicht wichtige Debatte um Gerechtigkeit, in die wir uns nächstes Jahr mit voller Kraft einmischen müssen.
Rede Gesine Agena: https://www.youtube.com/watch?v=1ACkF0HSujE
Wirtschafts- und Klimapolitik
Seit Jahren versuchen Teile der Partei uns Grüne als die neue Wirtschaftspartei zu bezeichnen. Dahinter verbirgt sich leider oft nicht mehr als das Ziel, sich an „die Wirtschaft“ anzukuscheln. Die BDK hat gezeigt, dass dieses Ziel nicht aufgeht. Wir sind keine Wirtschaftspartei. Wir sind eine Partei für Klimaschutz und Ökologie, eine Partei für soziale und globale Gerechtigkeit, Teilhabe und Mitbestimmung. Dazu müssen wir die Wirtschaft umbauen. Diese Debatte über Grüne Wirtschaftspolitik konnten wir aus linker Sicht erfolgreich prägen und labeln.
Angefangen mit dem Grün.Links.Denken-Kongress über viele Positionspapiere und einer harten Arbeit im Schreibprozess des Antrages fanden viele unserer Forderungen den Weg in den Antrag. Es geht nicht mehr darum, dass wir unkritisch mit der Wirtschaft sprechen, sondern dass wir sie sozial-ökologisch umbauen müssen und das auch mit einem klaren globalen Blick für internationale Gerechtigkeit. Ein wichtiger Ausschnitt der Grünen Wirtschafts- und Klimapolitik ist die Energiewende. Dass wir in diesem Kernthema standhaft bleiben, hat die BDK ebenfalls gezeigt. Robert Habeck, der Spitzenkandidat-Kandidat von Realo-Seite, hat auch in diesem Bereich einige wichtige Änderungsanträge verloren oder zurückgezogen. Wir haben uns nach einer starken Gegenrede von Georg Kössler dagegen entschieden, die EEG-Umlage umzubauen und aufzuweichen. Auch seinen Vorstoß, dass Ziel zu streichen, unsere Energie bis 2030 komplett durch Erneuerbare zu gewinnen, musste er zurückziehen.
Rede Simone Peter: https://www.youtube.com/watch?v=59p1UXrUOlg
Rede Toni Hofreiter: https://www.youtube.com/watch?v=DDH1EoVLBOc
Wahlen
Und auch die Wahlen zum Bundesvorstand und zum Parteirat waren für uns als Linke überaus erfreulich. Nicht nur, dass unsere drei Kandidat*innen für den Bundesvorstand wiedergewählt wurden. Auch bei den Wahlen zum Parteirat schnitten die linken Kandidat*innen überdurchschnittlich gut ab. So sind nun neun von 16 Parteiratsmitgliedern dem linken Flügel zugehörig. Gerade da viele Medienvertreter*innen die Wahlen zum Parteirat als Stimmungstest für die kommende Urwahl interpretieren, ist der deutliche Vorsprung von Toni Hofreiter zu Robert Habeck mit 50 Stimmen ein gutes Zeichen.
Sternstunden: Die Frauen- und Geschlechterpolitik
Auch auf diesen Parteitag musste einmal wieder die Frauenquote – diesmal ging es darum die offenen Plätze in Männerplätze umzuwandeln – verteidigt werden. Dazu hielt Felix Pahl eine herausragende Gegenrede und unterstrich auf wunderbare Art und Weise, wieso wir Grüne das Original einer progressiven Frauen- und Geschlechterpolitik sind. Und: Mit großer Mehrheit wurde der Gender-Star zukünftig für alle grünen Anträge beschlossen. Ein leuchtender Stern für Antidiskriminierung und Gleichstellung aller Geschlechter und Sexualitäten, den wir zukünftig in diesem Blog natürlich ebenfalls gern verwenden werden!
27. November 2015 um 8:59
Lieber Werner
Wenn man das liest, dann erscheint es fast so, als wäre Die Linke weit rechts von uns. Wo bleibt Deine kritische Bemerkung zu dem Antrag auf Besinnung zur Basisdemokratie? Wieso gewinnt der Realo Cem Stimmen hinzu, während die eher links einzuordnende Simone verliert? Wieso knurren und murren viele FreundInnen über unseren Kurs – und verhalten sich bei den Abstimmungen genau anders herum?
Wir sind im "linken Lager" in der Rückwärtsbewegung. Wenn wir das ignorieren, haben wir schon verloren.
Gruß Lothar
27. November 2015 um 11:02
Lieber Lothar,
natürlich ist nicht alles gut, aber ich finde gerade nach dieser bdk sollten wir linke uns nicht nur verstecken sondern auch mal klar und deutlich aufzeigen, dass wir auch einiges erreicht haben.
und was deine konkreten punkte angeht: das ist ja ein sehr persönliches fazit – ich habe das herausgestellt was mir wichtig ist. Den Antrag zu mehr Basisdemokratie sehe ich wohl anders als du. Ich fand den nicht gut und ich hab auch nicht für ihn gestimmt. Versteh mich nicht falsch, ich finde es toll, wenn wir mehr Beteiligungsmöglichkeiten schaffen, aber sehr sehr viele Forderungen in diesem Antrag kann ich einfach nicht teilen (Wahl der Vorsitzenden durch Urwahl – was ja schon dem Parteiengesetz widerspricht). Du magst das anders sehen als ich, aber für mich war der nicht links, sondern vor allem erst mal undurchdacht.
Bei den einzelnen Wahlergebnissen gibt es immer viel reinzuinterpretieren, fakt ist aber, dass gerade bei der Parteiratswahl die linken Kandidat*innen überdurchschnittlich gut abgeschnitten haben. Das ist doch mal schön!
Und dass Georg Kössler einen Antrag von Robert Habeck so deutlich versenken konnte, ist für mich ein Zeichen, dass wir auch wirklcih gewinnen können.
Wir sind nur in der Rückwertsbewegung, wenn wir nun den Kopf in den Sand stecken und lamentieren wie schlimm alles ist. Wenn wir konkret und programmatisch Arebtien können wir viel erreichen – das hat mir der Parteitag gezeigt.