Die neue grüne Wirtschaftsfreundlichkeit
Wir Grüne sollten endlich mal mit „der Wirtschaft“ reden, diese Forderung hört man derzeit immer wieder von Seiten der Realos. Doch diese Forderung ist nicht mehr als eine Phrase, denn erstens reden wir schon längst mit “der Wirtschaft” und zweitens geht es vor allem darum, was man ihr zu sagen hat. Denn auch, wenn die Häppchen auf den Empfängen vielen Grünen mittlerweile freundlich serviert werden, ist noch lange nicht alles in Ordnung – vor allem nicht wenn man den Blick vom nationalen Tellerrand aus erhebt. Die Rohstoffe in unseren Handys werden unter Sklaverei-ähnlichen Verhältnissen gefördert, für die Produktion unserer T-Shirts müssen Menschen in 80 Stundenwochen malochen und können davon noch nicht einmal ihren Lebensunterhalt erwirtschaften und wegen der überwiegend absurden Subventionierung europäischer Landwirtschaft, werden Kleinbäuerinnen und -bauern in den Entwicklungsländern in den Ruin getrieben.
Ja, es gibt viel zu bereden mit der Wirtschaft, die es so ja gar nicht gibt! Ist die Wirtschaft nun das Vorzeigeprojekt armedangels, dass endlich mal hübsche fair-trade Klamotten produziert oder ist die Wirtschaft doch kik, H&M oder Primark? Wer den Umsatz und den Gewinn zwischen Unternehmen die versuchen fair zu agieren auf der einen und die die es nicht tun auf der anderen Seite miteinander vergleicht, muss schnell feststellen, dass “die Bösen” immer noch den erdrückenden Großteil der Wirtschaft darstellen. Das stärkste Fair-Trade Produkt ist und bleibt der Kaffee – schaffte es jedoch auch nur auf einen Marktanteil von 2,1 Prozent im Jahr 2013 – und das trotz einer Verdreifachung des Jahresumsatzes in den vergangenen 15 Jahren. Weder Jacobs Krönung noch Eduscho erstarren also aus Angst vor der Marktmacht der VerbraucherInnen. In Umfragen erklärt sich zwar immer wieder eine Mehrheit dafür bereit, mehr für Lebensmittel und Produkte aus Entwicklungsländern zu bezahlen – jüngst zeigte dies das Eurobarometer vom 12.01.2015 – doch bei der faktischen Kaufentscheidung greifen Sie dann doch lieber bei dem billigeren oder hipperen Produkt zu. Denn nicht der Preis alleine ist ausschlaggebend, auch das Image! Das Fairphone (310,oo €) wurde weltweit rund 50.000 mal verkauft, das neue iPhone (800,oo – 1.200,oo €) soll dagegen schon am ersten Wochenende über 10 Mio. mal über die Ladentheke gegangen sein!
Think big!
Wir wollen hier nicht falsch verstanden werden, es ist gut und richtig und mehr als nur erfreulich, dass der Fair-Trade-Markt immer weiter wächst, dass er den Weg in die Supermärkte gefunden hat und dass er hip und lecker geworden ist. Aber sich darauf zu verlassen ist zu einfach! Wenn die, die es sich leisten können faire und ökologische Produkte kaufen und es sich damit in der moralischen Wohlfühlnische bequem machen, verdrängen sie damit die Realitäten des Weltmarktes. Es ist nebenbei wenig überraschend, das ausgerechnet diejenigen, die das größte ökologische und soziale Bewusstsein haben, auch den größten ökologischen Fußabdruck hinterlassen, während sie mit ihren Macbooks und Kindles von Konferenz zu Konferenz jetten. Wenn sich wirklich etwas ändern soll, wenn wir wirklich mehr globale Gerechtigkeit und die sozial-ökologische Transformation wollen, dann müssen wir es schaffen, dass sich die Großen, die multinational agierenden Unternehmen und Konzerne ändern. Und auch die deutschen Mittelständler, die sich nicht darum scheren, welchen Weg die Rohstoffe und Produkte gegangen sind, die sie verarbeiten und verkaufen, müssen etwas ändern.
Die Politik ist gefordert, den Unternehmen Rahmen zu setzen, damit diese soziale, ökologische und menschenrechtliche Mindeststandards bei Einkauf und Produktion einhalten und das eben nicht nur in Deutschland und der EU, sondern auch in Bangladesh, im Kongo oder in China. Warum es ohne Gesetze nicht geht, zeigte jüngst der Versuch von Entwicklungsminister Müller gemeinsam mit Unternehmen und der Zivilgesellschaft ein Textilsiegel zu erarbeiten. Im letzten Moment sprangen die großen Textilunternehmen ab. Sie waren schlicht und einfach nicht bereit, weit gehende Selbstverpflichtungen einzugehen. Viele, auch Grüne, waren schnell dabei, dem Minister Versagen vorzuwerfen. Tatsächlich war das faktische Scheitern des Textilsiegels aber ein deutlicher Beleg dafür, dass es nur mit gesetzliche Regelungen gehen wird.
Bittere Pillen für heimische Unternehmen
Es ist also gut und richtig, wenn Grüne beispielsweise mit Sportartikelherstellern sprechen. Wir sollten Ihnen dann aber auch sagen, dass wir sie in Zukunft verklagen wollen, wenn Sie direkt oder indirekt durch Ihre Zulieferfirmen oder durch die Zulieferer der Zulieferer gegen Mindeststandards verstoßen. Solche Standards sind unter anderem in den „Guiding Principles on Business and Human Rights“ der UN beschrieben.
Natürlich wird das der Wirtschaft nicht schmecken, sei es bei den Lebensmitteln oder bei den Klamotten, bei der Technik oder den Blumen, aber wer eine gerechtere Welt will, muss sich eben auch mit den Mächtigen anlegen. Und daher ist es eben auch richtig, dass wir uns weiter mit den Agro-Unternehmen anlegen, dass wir Massentierhaltung und deren Subventionen bekämpfen und uns eben nicht gemein machen mit einem perversen System, dass Hühnchen so billig produziert , dass man mit der Hälfte, die den EuropäerInnen nicht so mundet ganze Länder überschwemmt und die dortigen Landwirte in den Ruin stürzt. Doch nicht die Subventionen alleine sind hier ausschlaggebend, sondern auch der Handel.
Ein gerade erschienene Studie des ifo Instituts für Minister Müller kommt zu dem Ergebnis, dass TTIP für 42% der Drittländer bzw. für 80% der nicht zu TTIP gehörenden Regionen negative Auswirkungen auf das Pro-Kopf-Einkommen haben wird. Das darf nicht sein, wir dürfen den Entwicklungsländern die Möglichkeit zu einer eigenen wirtschaftlichen Entwicklung nicht nehmen. Das bedeutet aber auch, dass wir Ihnen zugestehen, ihre Märkte vor unseren subventionierten Produkten zu schützen, während wir gleichzeitig unsere starken Märkte für ihre Produkte öffnen. Doch das genaue Gegenteil ist heute noch immer der Fall. Zwar darf Ghana Kakao frei nach Europa exportieren, muss aber 25% Strafzoll zahlen, sollte es den Kakao weiterverarbeitet (rösten, verpacken, etekitieren) in Europa einführen wollen. Gerade an dieser Weiterverarbeitung würde Ghana jedoch wirtschaftlich verdienen und Arbeitsplätze schaffen können.
Grün ist, global zu denken und lokal zu handeln
Wenn wir in diesem Jahr als Grüne also einen Schwerpunkt auf Wirtschaftspolitik legen, sollte es uns nicht darum gehen, was wir tun müssen, damit uns die Wirtschaft mag und wieder gerne einlädt. Wir können nicht so tun, als ob es hier die deutsche Wirtschaftspolitik und dort die Entwicklungsländer gibt, als ob das alles nichts miteinander zu tun hätte. Wir sollten klären, was wir von der Wirtschaft fordern und welche politischen Rahmen und Gesetze wir setzen wollen – und diese sollten sich eben nicht nur auf die nationale Ökonomie beziehen, denn dafür sind die Ungerechtigkeit und die Menschenrechtsverletzungen die durch unsere Wirtschaftspolitik international geschehen viel zu groß und für Grüne schlicht nicht hinnehmbar.