Hamburg wird nicht dabei sein als Ausrichter bei den Olympischen Spielen 2024. Mit einer knappen Mehrheit votierten die Menschen in Hamburg gegen eine Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele. Einmal mehr entschied die Bevölkerung, dass sie das größte Sportspektakel der Welt nicht bei sich zu Hause haben will. Schon die Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 war am Votum der Bevölkerung gescheitert. Nun also auch Hamburg. Olympische und Paralympische Spiele sind offensichtlich schwer vermittelbar.
Eine Vielzahl von Gründen mögen dafür verantwortlich sein. Ob es die immensen Kosten sind, die mit den Megaevents verbunden sind oder aber die Anhaltenden Krisen der Sportverbände. Scheinbar haben die Olympischen Ringe ihre Strahlkraft verloren. Zumindest für die Bevölkerungen, denn autokratische Staatslenker schmücken sich auch weiterhin gern mit sportlichen Großveranstaltungen.
Doch in den letzten Jahren ist zunehmend der Nutzen solcher Großveranstaltungen für die Gesamtgesellschaft Gegenstand der Debatten geworden. Massive Umweltzerstörungen, Zwangsräumungen, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Sportstätten, Milliardeninvestitionen in olympischen Gigantismus und die Erschließung neuer Luxuswohngebiete, brachten der Mehrheit der Menschen keinen Nutzen, sondern hinterließen einen faden Beigeschmack. Kritik wurde, wie in Brasilien anlässlich des Confed-Cups 2013, laut. In China oder Russland wurde sie gleich mundtot gemacht.
Auch in Hamburg fragten sich viele, was von den Milliarden bleibt, wenn der Olympia-Zirkus weitergezogen ist. Vor allem störten sich die Kritiker*innen aber an der Verteilung von Kosten und Nutzen. Während die finanziellen Risiken bei den Steuerzahler*innen bleiben, geht ein Großteil der Gewinne an die Weltsportorganisationen. Sinnbildlich dafür stehen, die „Host-City-Verträge“, die nicht nur das Finanzrisiko den Gastgeber*innen zuschiebt, sondern gleichzeitig als Vorbedingung noch massive Steuererleichterungen verlangt.
Längst sind Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften der Männer nationale und globale Ereignisse, die weit weniger Sportfest, als Hochamt der Konsumgesellschaft sind. Von den „Spielen der Jugend der Welt“ ist nicht viel mehr als olympische Folklore geblieben.
Doch nicht nur Kommerzialisierung und Gigantismus zeichnen verantwortlich für die zurückgehende Akzeptanz von Sportgroßereignissen. Verantwortlich sind vor allem die Funktionär*innen (wenngleich zumeist Männer) selbst. Korruption und Intransparenz haben den Sport weltweit in eine schwerwiegende Glaubwürdigkeitskrise getrieben.
Der mittlerweile suspendierte ehemalige FIFA-Generalsekretär, Jerome Valcke, kam auf einer Konferenz im Jahre 2013 zu folgendem entlarvenden Schluss:
„Das mag jetzt vielleicht verrückt klingen, aber manchmal ist weniger Demokratie bei der Planung einer WM besser. Wenn es ein starkes Staatsoberhaupt mit Entscheidungsgewalt gibt, vielleicht wie Putin sie 2018 hat, ist es für uns Organisatoren leichter als etwa in Ländern wie Deutschland, in denen auf verschiedenen Ebenen verhandelt werden muss.“
Offenkundig hat der Weltsport ein strukturelles Problem mit Demokratie. Das mag der Grund sein, warum zunehmend mehr Demokratien ein Problem mit dem Weltsport haben.
Reformen jetzt!
Ein Neuanfang ist nötig. Der Sport ist weltweit milliardensubventioniert durch öffentliche Gelder. Das bedeutet auch eine Verantwortung für die Sportpolitik, Transparenz über die Mittelverwendung herzustellen. Es bedeutet aber auch, politisch endlich den Mut aufzubringen, wirkliche Reformen in den Sportverbänden anzumahnen und mit klaren Forderungen zu verbinden. Der Korruption muss endlich ein Ende gemacht werden und das offenbare fremdeln des Weltsports mit der Demokratie ist definitiv nicht förderwürdig. Es wird Zeit, die Sportpolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen. Es ist den Menschen nicht länger zu vermitteln, warum sie für den Gigantismus von Olympischen Spielen und Fußballweltmeisterschaften der Männer aufkommen sollen, wenn am Ende nichts bleibt, außer teuren Folgekosten und nicht eingelösten Versprechen auf nachhaltige Nachnutzungskonzepte. Und es ist auch politisch nicht länger akzeptabel, dass die großen Sportweltverbände Ausrichterstaaten in sozial unverträgliche Verträge knebeln. Die Bevölkerung macht es der Politik vor: Sie haben keine Lust, sich vom organisierten Sport am Nasenring durch die Arena führen zu lassen. Politik muss die Gemeinwohlinteressen wieder in den Mittelpunkt ihrer Sportpolitik stellt und gegenüber ihren Partnern im Sport zur Bedingung einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe machen.
Nach München, Lemberg, Oslo und Boston, wo die Bewerbung ebenfalls an den Bürgerreferenden krachend gescheitert sind, hat auch Hamburgs Bevölkerung die Reißleine gezogen. Vorsichtshalber befragen die verbliebenen Bewerberstädte für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 ihre Bevölkerung erst gar nicht.
Die Sportverbände sollten einmal über diese demokratischen Schlappen nachdenken anstatt immer die Schuld bei allen anderen zu suchen. Die einzige mögliche Antwort in dieser Situation ist endlich mehr Demokratie zu wagen, will der organisierte Sport verlorenes Vertrauen zurück gewinnen. Doch entscheidet man sich, eher Jerome Valckes Argumentation zu folgen, dann geht der Sport düstersten Zeiten entgehen.
Die Menschen in Hamburg haben ein deutliches Signal gesendet: Dabei sein ist nicht alles! Es wird sich zeigen, ob es im Weltsport jemand empfangen möchte.
21. Dezember 2015 um 12:58
Sport? Es geht weder bei den <Olympischen Spielen noch bei der Fußball WM / EM wirklich um Sport, es geht um Profite! Der Sport ist nur noch Alibi und sonst gar nichts mehr….