In der Geschichte der rot-grünen Zusammenarbeit war die Energiepolitik immer ein besonderes spannendes Kapitel. Hier fochten Sozialdemokraten und Grüne einige ihrer heftigsten Konflikte aus, doch errangen sie hier mit dem Atomausstieg und dem EEG auch einige ihrer glorreichsten Erfolge. Von dieser bewegten Geschichte ist bei Lektüre des SPD-Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2013 wenig zu spüren. Die Errungenschaften der rot-grünen Energiepolitik werden darin genauso wenig angesprochen wie die Konflikte.
Ähnliches gilt überraschenderweise auch für die Energiepolitik von Schwarz-Gelb. Zwar geht das SPD mit dem Missmanagement der Energiewende hart ins Gericht. Auf pointierte inhaltliche Kritik am schwarz-gelben Kurs verzichtet sie aber. Das gilt für die Altmaiers Bremsmanöver bei den erneuerbaren Energien ebenso wie für Röslers Totalblockade der Klimapolitik und die ausufernden schwarz-gelben Klientelgeschenke an die energieintensive Industrie. Dadurch bleibt die Frage, ob die SPD in der Energiepolitik nur manches besser oder auch etwas grundlegend anders machen möchte als Schwarz-Gelb, weitgehend unbeantwortet. Zumal auch die naturgemäß eher allgemein gehaltenen Ziele des Wahlprogramms darüber wenig Aufschluss geben.
Nehmen wir zum Beispiel den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Reform des EEG. Hier bleibt die SPD mit ihren Ökostrom-Zielen von 40-45% 2020 und 75% 2030 zwar hinter dem grünen Projekt zurück, die Stromversorgung bis 2030 komplett auf erneuerbare Energien umzustellen. Doch würden auch die SPD- Ziele noch eine spürbare Beschleunigung des gegenwärtigen Ausbautempos bedeuten. Das hebt sich positiv ab von den schwarz-gelben Forderungen, den Ausbau der erneuerbaren Energien durch eine Ausbaubremse, Deckel oder gar ein Moratorium für EEG-Anlagen abzuwürgen. Andererseits greift die SPD wichtige Stichworte der EEG-Gegner auf, indem sie das „ungesteuerte“ Wachstum der Erneuerbaren kritisiert, mehr Verantwortung der Erneuerbaren für die Stabilität der Energieversorgung einfordert und eine Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Netzausbau verlangt. Was das konkret bedeuten soll bleibt offen. Doch wären dies alles Ansatzpunkte, über die sich die hehren Ausbauziele in einer großen Koalition konterkarieren ließen.
Zu einem zweiten Schlüsselthema der Energiepolitik, der Kohle, findet sich im SPD –Programm nur ein einziger Satz, der an ein Bekenntnis zur Offshore-Windkraft anschließt: „Wir setzen aber ebenso (noch) auf konventionelle Energieerzeuger, wie Kohle- und Gaskraftwerke, als Brückentechnologie, solange wir sie brauchen.“ Verglichen mit früheren innbrünstigen Bekenntnissen der SPD zum weiteren Ausbau der Stein- und Braunkohle ist dieses Schmallippigkeit sicher ein Fortschritt. Das heißt aber keineswegs, dass die alte RWE-IGBCE-Kohle-SPD abgemeldet wäre. Die SPD hält sich in Sachen Kohle alle Optionen offen – von zaghaften Schritten in Richtung des von uns Grünen geforderten Kohleausstiegs bis hin zur Subventionierung neuer Kohlekraftwerke über „umfassende Kapazitätsmärkte“. Mit der Forderung nach einem Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigen Zielen (60% Emissionsminderung bis 2030, 95% bis 2050) stellt sich das SPD-Programm allerdings hinter ein grünes Schlüsselprojekt, das der Kohle keine große Zukunft mehr in Deutschland lassen würde.
Auf andere Punkten sollten sich SPD und Grüne auf Grundlage ihrer Programme schnell verständigen können, etwa auf mehr Geld und ehrgeizigere Standards für Energieeffizienz und Gebäudesanierung, die von Schwarz-Gelb blockierte Reparatur des Emissionshandels, auf den Stopp deutscher Exportgarantien für Atomtechnologie oder die Beteiligung des Bundes an einer neu zu schaffenden Deutschen Netzgesellschaft.
Insgesamt enthält das weichgespülte SPD-Programm wenig Hindernisse für eine ambitionierte rot-grüne Energiepolitik. Eine solche Koalition stellt mit Sicherheit die beste Chance dar, die unter Rot-Grün begonnene und unter Schwarz-Gelb zunehmend gefährdete Energiewende zum Erfolg zu führen. Das vage Wahlprogramm der SPD lässt der Partei aber auch genug Spielraum für einen konservativen Schwenk in der Energiepolitik bei Neuauflage der großen Koalition. Wer mit seiner Stimme die Richtung der Energiepolitik beeinflussen möchte, ist bei den Grünen besser aufgehoben.
31. Juli 2013 um 14:38
in der Frage des Atomausstiegs unter rot-grün von einem "Erfolg" zu sprechen, halte ich für Geschichtsklitterei. Nicht umsonst haben uns viele Atomkraftgegner_innen damals verlassen und sind nicht wieder gekommen.
31. Juli 2013 um 16:37
Ich möchte aber mehr! 100% EE bis 2020
Die Grünen hätten mal einen aus der Praxis fragen sollen.
M. Willenbacher zeigt in seinem Buch Mein unmoralisches Angebot… auf wie das bis 2020 umsetzbar ist. Dezentral und erneuerbar – ohne Offshore Windkraft und ohne Netzausbau!
Dass die Merkel zu arrogant ist dieses Buch zu lesen ist klar, aber für Grüne sollte das Pflicht sein. Insbesondere die Offshore Windkraft ist eine reine Gefälligkeit für die Konzerne, bitte endlich stoppen!
7. September 2013 um 15:46
Wie kommen Sie darauf, dass das eine Gefälligkeit für die Konzerne ist.
Stimmt doch gar nicht, Offshore wurde von Rot-Grün 2002 gestartet und die derzeitigen Investoren sind mittelständische Projektentwickler und Stadtwerke (ja und auch Stromkonzerne). Juwi selbst wollte sogar Offshore machen.