Frage: Nicht erst seit den Skandalen um die Aufklärung der Morde des NSU gehört ein vorsichtig distanziertes Verhältnis zu Inlandsgeheimdiensten seit vielen Jahren zum Grundkonsens von Bündnis 90/ Die Grünen. Hältst Du Inlandsgeheimdienste auf Bundes- und Landesebene weiterhin für notwendig? Wenn ja, warum und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Katrin Göring-Eckardt: Angesichts des Komplettversagens der Inlandgeheimdienste bei der Aufklärung der rechtsextremistischen Morde ist Kritik mehr als angebracht. Ich bin für eine Auflösung des MAD. Den Inlandsgeheimdienst sollten wir wohl mit einem echten Neuanfang und anderen Strukturen beibehalten. Dafür ist allerdings eine radikale strukturelle Reform notwendig. Es macht keinen Sinn, mit denselben Personen, die mehr als verstrickt sind, weiter zu machen, und auch nicht in denselben Strukturen wie bisher. Vor allem brauchen wir einen grundsätzlichen Perspektivwechsel in den Geheimdiensten: Rechte Gewalt muss als solche erkannt und benannt werden! Wie oft hören wir bei rechten Gewalttaten, es seien „keine politischen Motive“ erkennbar! Zu schaffen ist das nur mit mehr demokratischer und parlamentarischer Kontrolle der Geheimdienste, hierfür sollten wir als GRÜNE kämpfen. Nur dann können die Geheimdienste tatsächlich zu den Organen im Kampf gegen Rechtextremismus werden, die sie sein sollen und müssen.
Patrick Held: Die Antworten von Patrick Held sind nur als .pdf verfügbar. Hier geht es zu seinen Antworten.
Nico Hybbeneth: Der Verfassungsschutz hat das Verbot der NPD behindert, er hat mit Steuergeldern den Thüringer Heimatschutz groß gemacht, aus dem die NSU-Terroristen hervorgingen und er hat komplett bei der Analyse des Rechtsterrorismus versagt und auch noch die Aufarbeitung der Skandale behindert. Der Inlandsgeheimdienst entscheidet selbst, wen er beobachtet und welche Informationen er preis gibt. So hat der Verfassungsschutz in meinen Augen momentan keine Existenzberechtigung.
Diese kann er erst wiedererlangen, wenn eine Möglichkeit gefunden wird ihn effektiv demokratisch zu kontrollieren.
Roger Kuchenreuther: Alle durchgefürten Attentate der BRD wurden mit Waffen bzw. Sprengstoff von Inlandsgeheimdiensten durchgeführt, selbst das blutige Olympiamassaker von 1972! Also alles auflösen, Wasserwerfer, Überwachungshubschrauber; automatische Waffen und Nervengase abschaffen; Länderpolizeien dezentralisieren und wieder kommunal/kreisig organisieren mit Wahloberpolizist (Scheriff).
Renate Künast: Mit diesen Verfassungsschutzämtern ist die Verfassung nicht zu schützen. Diese Ämter sind aufzulösen. Wir brauchen einen Neustart – in personeller und struktureller Hinsicht. Der Aufgabenbereich muss in Zukunft auf die Abwehr des aggressiven gewaltbereiten Extremismus und Islamismus sowie auf die Spionageabwehr beschränkt werden. Die Kontrolle der Verfassungsschutzbehörden durch das Parlament ist dringend zu reformieren. Der MAD gehört vollständig abgeschafft. Nachrichtendienstliche Mittel sind scharf einzuschränken und brauchen ein Verfahren ähnlich der G-10-Kommission.
Alfred Mayer: Da kenne ich mich zu wenig aus, um Interessantes sagen zu können.
Markus Meister:Ja, einen Bundesgeheimdienst der sich auch um innere Angelegenheiten kümmert. Aber um die wirklich Wichtigen, wie Kampf gegen rechten Terror und Gewalt. Eine Linke zu beobachten ist z. B. einfach lächerlich. Die Landesgeheimdienste mit ihren unterschiedlichen Befindlichkeiten und ich sag dir nix und du mir nix- Mentalität oder mit zweifelhaften Personal gehören abgeschafft.
Claudia Roth: Der MAD hat nach dem Ende des Kalten Krieges und der Abschaffung der Wehrpflicht keine Daseinsberechtigung und gehört aufgelöst. Und ein Verfassungsschutz, der NSU-Mordhelfer für Spitzeltätigkeit bezahlt, taugt ebenfalls nichts. Es kann doch nicht sein, dass Sicherheitsbehörden das direkte Umfeld von Terroristen abschöpfen, ohne von der Blutspur, die diese durch das Land ziehen, etwas zu ahnen. Und es geht auch nicht an, dass es bei Verfassungsschutzmitarbeitern eine offensichtlich verbreitete Haltung ist, sich der demokratischen Kontrolle durch Verschweigen, Vertuschen und Aktenschreddern zu entziehen. Einen solchen Verfassungsschutz brauchen wir nicht.
Die tiefe Legitimationskrise der Geheimdienste und der Sicherheitsbehörden lässt sich auch nicht durch Aussitzen oder Mini-Reförmchen bewältigen, wie Innenminister Friedrich sie vorschlägt, und auch nicht durch die Ersetzung von Spitzenleuten durch Mitarbeiter aus dem Küchenkabinett des Ministers. Die Sicherheitsbehörden, die bei der NSU-Mordserie so eklatant versagt haben, gehören stattdessen umfassend auf den Prüfstand. Innenminister Friedrich muss endlich den nachvollziehbaren Beweis erbringen, dass der Verfassungsschutz notwendig ist, er ist hier in der Bringschuld. Sollte ihm das nicht gelingen, wird zu entscheiden sein, ob die Auflösung der Behörden oder weit reichende personelle und Strukturreformen der bessere Weg sind.
Franz Spitzenberger: Ich kann dazu keine Aussage treffen.
Jürgen Trittin: Ich bin für die Auflösung von Verfassungsschutz und die Abschaffung des MAD. Die NSU-Morde führen nun besonders gravierend vor Augen, dass die Schlapphüte miserable Arbeit geleistet haben. Verweigerung der Zusammenarbeit, Verleugnung eines rechtsextremen Hintergrundes und Zurückhalten der Informationen bis sie auf anderem Weg herauskommen – solche Gemeindienste brauchen wir nicht. Apparate mit solchen Strukturen und Personal sind nicht mehr zu reformieren.Wir brauchen keinen militärischen Inlandsgeheimdienst. Wirmüssen die Befugnisse eine neuen Inlandsgeheimdienstes auf den gewaltbereiten Extremismus begrenzen. Die Gesinnungsschnüffelei zur Linken muss ein Ende haben.
Werner Winkler: Auf irgend einem Weg müssen Informationen über diejenigen beschafft werden, die unsere Gesellschaftsordnung bekämpfen oder ihr massiv schaden wollen. Das kann sicher kein Privatdetektiv tun. Im konkreten Fall scheint mir jedoch ein völliger Neuaufbau einer bundesweit agierenden und zentral gesteuerten Behörde sinnvoller als stückweise Renovierung der vorhandenen Strukturen – auch aus Kostengründen. Idealerweise dann sehr viel näher am Parlament bzw. den zuständigen Ausschüssen.