Grün.Links.Denken

Frage 12 – Thema: Partizipation und Zivilgesellschaft

Wir Grüne stehen für umfassende Partizipation und die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft. Wie können wir im Wahlkampf noch deutlicher herausarbeiten, dass wir das Original sind, wenn es um Transparenz, Beteiligung und BürgerInnenrechte geht? Wo möchtest Du – auch jenseits vom Bau- und Fachplanungsrecht – ansetzen, um die Mitspracherechte und -möglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern zu verbessern? Was sollen Grüne in einer Bundesregierung bei wichtigen Infrastrukturmaßnahmen und Großprojekten im Spannungsfeld widerstreitender Interessen anders machen als die jetzige Regierung?

Antwort:

Katrin Göring-Eckardt: Wir sind bei den Themen Transparenz und Beteiligung nicht nur das Original, sondern auch glaubwürdiger und konsequenter als die Piraten: ganz einfach, weil wir tatsächlich für die Beteiligung aller kämpfen und nicht nur für eine elitäre Gemeinde von Nerds und Freaks (bei der – siehe die sehr geringen Nutzerzahlen bei "Liquid Democracy" – ja auch längst nicht alle mitmachen). Grundsätzlich bin ich für eine Politik, die mehr zuhört und auf die Menschen zugeht – unabhängig davon, ob gerade eine Wahl ansteht. Nur so kann dem Misstrauen und den Ressentiments gegen "die da oben" entgegen gewirkt werden. Deshalb will ich für die grüne Forderung nach Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene kämpfen. Mit den Methoden der direkten Demokratie lässt sich solchen Kommunikationsdesastern bei Großprojekten, wie wir sie in letzter Zeit erlebt haben, vorbeugen. Beuys hat ja mal gesagt: Jeder Mensch ist ein Künstler. Heute hat man ja manchmal das
Gefühl, dass jeder Bürger wahrscheinlich ein besserer Flughafenbauer oder Opernarchitekt ist, als die Profis, die es gelernt haben müssten…
 

Patrick Held: Die Antworten von Patrick Held sind nur als .pdf verfügbar. Hier geht es zu seinen Antworten.

 

Nico Hybbeneth: Die Bürgerinnen und Bürger müssen bei anstehenden Projekten  als die Regionalexperten frühzeitig  am Prozess institutionell beteiligt werden!
Es gilt eine Demokratisierung aller Lebensbereiche voranzutreiben das beinhaltet auch Wirtschaft, Arbeit und Bildung. Ich will mich für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene einsetzen. Dabei ist wichtig, dass der Schutz der Rechte von Minderheiten trotzdem gewährleistet werden kann.

 

Roger Kuchenreuther: Tansparenz, Beteiligung und BürgerInnenrechte sollen durch Eintreten für direkte Demokratie, Reform des Förderalismus und der parlamentarischen Demokratie auch gelebt werden (zB Uhrwahl), wobei es wichtig ist mehr BürgerInnen durch offene Veranstaltungen mit Rahmenprogramm anzusprechen und zur Beteiligung aufzufordern. Wir sollten daran arbeiten uns mehr von den Altparteien abzusetzen, keine Abend-Versammlungen im Wirtshaus, keine Theorieorgien mit Redeexzessen, keine Absprachen im Hinterzimmer. Grüne Politik mehr als Familienereignis, vielleicht auch als Großereignis sowie ein Kirchentag, aufregend und unterhaltsam; Kinder und Jugendliche müssen eingebunden werden!

 

Renate Künast: Die jetzige Bundesregierung redet viel von Beteiligung – verbessert hat sie jedoch nichts. Wir müssen das Planungsverfahren für große Infrastrukturvorhaben in Zukunft klarer, einfacher und bürgerfreundlicher gestalten. Durch eine frühe Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wird auch Fehlplanungen entgegengewirkt. Ökologische Belange müssen bei der ersten Entscheidung über das „Ob“ eines Projektes berücksichtigt werden. Zudem kann man durch klare Fristenregelungen das Verfahren straffen – natürlich ohne Einbußen bei der Bürgerbeteiligung.

Jenseits des Bauplanungsrechts setze ich mich für den Ausbau direktdemokratischer Elemente ein. Diese stellen jedoch nur einen Baustein auf dem Weg zu mehr Demokratie dar. Die Weiterentwicklung der Informationsfreiheit sowie von Open Data sind weitere Elemente eines bürgernahen demokratischen Systems. Ich wünsche mir von den Grünen zudem den Schwerpunkt einer umfassenden Transparenzoffensive.

Die jetzige Bundesregierung redet viel von Beteiligung – verbessert hat sie jedoch nichts. Wir müssen das Planungsverfahren für große Infrastrukturvorhaben in Zukunft klarer, einfacher und bürgerfreundlicher gestalten. Durch eine frühe Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wird auch Fehlplanungen entgegengewirkt. Ökologische Belange müssen bei der ersten Entscheidung über das „Ob“ eines Projektes berücksichtigt werden. Zudem kann man durch klare Fristenregelungen das Verfahren straffen – natürlich ohne Einbußen bei der Bürgerbeteiligung.

Jenseits des Bauplanungsrechts setze ich mich für den Ausbau direktdemokratischer Elemente ein. Diese stellen jedoch nur einen Baustein auf dem Weg zu mehr Demokratie dar. Die Weiterentwicklung der Informationsfreiheit sowie von Open Data sind weitere Elemente eines bürgernahen demokratischen Systems. Ich wünsche mir von den Grünen zudem den Schwerpunkt einer umfassenden Transparenzoffensive.

 

Alfred Mayer: Die Grünen in einer Regierung müssen vor allen Dingen bloße Prestigeprojekte und ökonomische und ökologisch fragwürdige Projekte verhindern, aber auch Volkabstimmungen nach dem Schweizer Muster fördern. Die Gängelung der Bürger im Zusammenhang mit Bügerbegehren muß aufhören. Bei allen wichtigen Fragen sollte eine Volksabstimmung sein.

Den Bürgerinnen und Bürgern muß aber auch deutlich gemacht werden, daß sie ihre Bürgerrechte nur als Parteimitglied voll ausüben können. Denn allein die Parteien bestimmen die Kandidaten für die Parlaments- und Kommunalwahlen. Allein die Parteien stellen die Wahlprogramme auf und bestimmen damit die Regierungsziele.

 

Markus Meister:Bei Großprojekten müssen von Anfang an transparent und offen die Bürgerinnen und Bürger informiert werden. Auch muss man über Bürgerentscheide vor jedem solcher Projekte nachdenken, da dann immer eine demokratische Legitimation hinter solchen Bauprojekten steht. Wir Grünen sollten einfach wieder offenere Ohren für die Bürger haben, Quereinsteiger fördern und uns nicht von Bürgerbewegungen oder anderen linkssozialen Parteien und Organisationen abkapseln sondern offen auf die Leute zugehen und Ideen glaubwürdig aufnehmen und diskutieren, ohne diese Gruppen oder Parteien in erster Linie als Konkurrenz zu betrachten. Wir müssen da allerdings auch als Partei glaubwürdig und konsequent sein, das heißt keine Zusammenarbeit mit der SPD in Berlin und Brandenburg solange die Aufsichtsratsvorsitzenden vom BER in ihren Landesparteien noch das Sagen haben und auch wenn es schmerzhaft ist, Kurt Beck das Vertrauen entziehen, da das Desaster um den Nürburgring einfach nicht hinnehmbar gewesen ist.

 

Claudia Roth: Wir brauchen eine Transparenzoffensive. Das Informationsfreiheitsgesetz, das wir durchgesetzt haben, müssen wir weiter ausbauen – auf dem Weg zur Informationsfreiheit 2.0. Eine neue Kultur der Transparenz und Offenheit bedeutet: Informationen sollen nicht nur auf Anfrage herausgegeben werden, sondern staatliche Stellen sollen „Open Government" praktizieren. Dokumente, Analysen, Gutachten, Erhebungen oder Statistiken sollen als offene Daten mindestens über das Internet frei verfügbar gemacht werden. Transparenz ist auch die beste Vorbeugung gegen Filz und Korruption. Wir müssen deutlich machen, dass wir für einen neuen Regierungsstil stehen, eine Politik des Gehörtwerdens und des Hörbarmachens. Nicht Durchregieren, sondern Dialog auf Augenhöhe: frühzeitige Information, ausführliche Argumentation, faire Verfahren für Konsultationen, Beteiligung und Mitentscheidung. Bürgerbeteiligung muss so früh ansetzen, dass gegebenenfalls noch umgesteuert werden kann. Wenn es nicht gelingt, Konflikte auszuräumen, sollen frühzeitig alternative Methoden wie Mediation oder Schlichtung zum Einsatz kommen können. Auch die Mittel der direkten Demokratie, Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksentscheide müssen mit einer Grundgesetzänderung ermöglicht werden.

Faire Verfahren können Akzeptanz für das Ergebnis schaffen, auch wenn am Ende kein Konsens gefunden werden sollte. Bei Bürgerbeteiligung geht es nicht nur um Baumaßnahmen. Wir Grüne haben den Anfang gemacht und Gesetzentwürfe z.B. zum Beschäftigtendatenschutz online zur Diskussion gestellt, bevor sie in den Bundestag eingereicht wurden. Solche Konsultationen, mindestens per Internet, sollten auch bei Gesetzesvorhaben der Bundesregierung der Regelfall werden.

 

Franz Spitzenberger: Wichtig ist, dass wir die Bürgerinnen ernst nehmen, sie umfassend informieren und in die Entscheidungsprozesse einbeziehen. Trotzdem werden wir es nicht allen recht machen können. Wie es funktioniert, wurde in Baden Württemberg vorgemacht.

 

Jürgen Trittin: Unsere Bilanz ist doch gut: Wahlberechtigte für die Spitzenkandidaten bei der CDU: 1. Bei der SPD: 3. Bei den Grünen: knapp 60.000. Mit der Urwahl und dem geplanten Mitgliederentscheid zeigen wir, wie gelebte Demokratie aussieht. Un­ter Rot-Grün waren wir es, die das Umwelt- und Verbraucherinformationsgesetz durchgesetzt haben. Dadurch haben wir erst ermöglicht, dass Gorleben-Akten und BER-Planungsunterlagen einsehbar und Ekel-Buttons möglich wurden. Und in den Ländern, in denen wir regieren, haben wir direkte Demokratie entweder überhaupt erst eingeführt, oder die Hürden dafür so deutlich gesenkt, dass sie praktikabel wurde.

In Planungsprozessen muss ein Umdenken stattfinden. Ich möchte, dass Bürge­rinnen und Bürger früh wissen, was ihnen blüht und mit entscheiden, ob und nicht nur wie und wo gebaut wird. Transparenz ist die Voraussetzung für Bür­gerbeteiligung, denn nur informierte Bürgerinnen und Bürger können sich weh­ren und Einspruch einlegen Insgesamt brauchen wir ein neues Verständnis von Verwaltungshandeln und deutlich mehr Veröffentlichungen im Netz. Im weiteren Projektverlauf brauchen wir neue Beteiligungsformen wie Mediation, die schon oft zu guten Ergebnissen geführt haben. Auch direktdemokratische Elemente sind in Planungsprozessen sinnvoll. Der dringend notwendige Ausbau von Strom­leitungen wird beispielsweise nur dann funktionieren, wenn erstens die Bürge­rinnen und Bürger ernst genommen und beteiligt werden und zweitens neue Technologien von Erdkabeln bis Gleichstrom zum Einsatz kommen.

 

Werner Winkler: a) Wir haben durch die Urwahl und die Mitwirkung der Mitglieder bei der Themenauswahl bereits ein Vorbild gegeben, das ansteckend wirken kann. Unser stärkstes Kommunikationsmittel ist aus meiner Sicht genau diese Vorbildhaftigkeit. Indem wir nicht nur die Spitzenkandidaten, sondern – sofern vom Wahlgesetz und den Satzungen möglich – auch die Parteivorsitzenden (in Bund und Ländern) durch alle Mitglieder wählen lassen (wie in jedem Orts- und Kreisverband üblich), vielleicht auch mit Vorwahlen – zeigen wir, dass uns das Thema ernst ist. Auch Mitgliederhaushalte können ein Mittel sein, um für Bürgerhaushalte zu werben.

b) Ich würde mich für die Einführung regelmäßiger Bürger*innenbefragungen aussprechen; das wäre eine Vorstufe für Volksentscheide auf Bundesebene und würde zur Politik des Gehörtwerdens passen. Um auch hier vorbildlich zu sein, werde ich mich für regelmäßige Befragungen aller grünen Parteimitglieder einsetzen und dafür plädieren, hierfür geeignete, einfache, internetbasierte technische Möglichkeiten zu schaffen.

Vor allem sollten auch Mitglieder die Möglickeit haben, selbst Fragen zu stellen. Hier kann mit einem dreistufigen Prozess gearbeitet werden: im ersten Schritt dürfen Bürger*innen jeweils eine Frage vorschlagen, von der sie denken, dass sie allen Bürger*innen gestellt werden sollte – unabhängig ob die Bürgerin ein Kindergartenkind oder die Bundeskanzlerin ist. Im zweiten Schritt bewerten alle, die das möchten, diese Fragen und generieren eine "Bundesliga-Tabelle" der eingegangenen Fragen. Die Fragen mit der meisten Zustimmung werden dann in einem dritten Schritt allen Bürger*innen gestellt und im Bundestag ausführlich debattiert bzw. von den dafür zuständigen beantwortet. Falls der Andrang sehr groß ist, können "Vorabstimmungen" auf Kreis- oder Landesebene stattfinden. Hierbei könnten die Medien eingespannt werden, ähnlich dem Format "Ich kann Kanzler", das vor einiger Zeit guten Zuspruch bekam.

c) Es wäre viel gewonnen, wenn wir als Grüne die Rechte aller Lebewesen ähnlich hoch gewichten, also auch die Rechte von Menschen (auf einen Park, eine ungestörte Nachtruhe, einen Erhalt ihres Dorfes) – und nicht nur von Fledermäusen, Hamstern, Juchtenkäfern oder Bäumen. Ich glaube, dass hier eine Einseitigkeit zu Ablehnung von Naturschutz bei vielen Bürger*innen führt und wir als Grüne einen Teil unserer Möglichkeiten nicht nutzen, die wir hätten, um Betroffene von Großprojekten gegen wirtschaftliche Interessensgruppen zu verteidigen. Wir könnten uns auch für eine Pflicht zur Befragung von Betroffenen bei Großprojekten einsetzen und ein Zustimmungsquorum von mindestens 80% ins Gesetz schreiben, bevor eine Genehmigung erteilt werden kann. Dann würden in Einzelfällen die Kosten für Überzeugungsarbeit so hoch, dass sich ein Großprojekt entweder nicht mehr lohnt oder dass die Planung von Anfang an so gemacht wird, dass sich möglichst gar kein Widerspruch regt (Beispiel: Hochspannungsleitungen in den norwegischen Fjorden – unter Wasser teuer, aber akzeptiert – über den Fjord hässlich, preiswerter und bekämpft).

Auch die automatische Einrichtung eines Schiedsgerichts mit Entscheidungsbefugnis im Fall von Großprojekten wäre denkbar – also das, was bei Stuttgart21 erst gemacht wurde, als die Lage bereits eskaliert war, automatisch von Anfang an einzurichten: einen runden Tisch, an dem sich alle Beteiligten offen und fair und auch mit öffentlicher Einsicht unterhalten.

Zusätzlich hätten wir die Möglichkeit, als Partei auf der Seite der Bürger*innen und der Natur zu stehen und trotzdem als Regierungspartei (falls wir das sind) die Interessen der Gemeinschaft zu vertreten, wenn es wieder eine strikte Wahlpflicht für Parteimitglieder gäbe, entweder ein Staatsamt (Mandat) anzunehmen oder eine Parteiaufgabe (Amt). Hier würde ich gerne nochmal ausführlich diskutieren lassen und eine Mitgliederbefragung durchführen, ob wir hier nicht etwas Wertvolles aufgegeben haben, als die Trennung von Amt und Mandat aufgegeben wurde.

 

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