Inhaltlich gibt es keinen guten Grund, die Patriots-Entscheidung mitzutragen. Die meisten Argumente sind im Aufruf der GRÜNEN FRIEDENSINITIATIVE „Keine Patriots an die syrische Grenze! Stimmt im Bundestag mit NEIN!“ vom 21.11.2012 enthalten, den bis Ende November bereits 124 GRÜNE Mitglieder unterstützt haben. Sie sollen hier nicht wiederholt werden.
Es gab jedoch in den letzten Tagen aus den Reihen der SPD und der GRÜNEN einige neue Argumentationsmuster, um die Stationierung zu rechtfertigen, und diverse Anregungen, wie das Mandat auszugestalten sei. Damit werden bei NATO und Bundesregierung offene Türen eingerannt.
Stationierung nicht so nahe an der Grenze? Wird gemacht. Kein türkischer Oberbefehl? Aber sicher, wir machen NATO-Oberbefehl. AWACS vergessen? Stimmt, brauchen wir ja auch als Feuerleitsystem für die Patriots. Gut schreiben wir das auch gleich mit ins Mandat. Keine Operationen über syrischem Gebiet? Natürlich nicht, nie in Erwägung gezogen. Es wird übrigens sogar von NATO-Vertretern berichtet, die die Patriots so programmieren wollen, dass sie keine Flugzeuge abschießen könnten, sondern nur „Raketen, die türkisches Gebiet oder Eigentum bedrohen". Offenbar haben wir bisher die Raffinesse der NATO-Militärtechnologie unterschätzt, sie kann wohl sogar juristische Eigentumstitel berücksichtigen.
Die Patriots sollen 50km hinter der Grenze stationiert werden. Die Patriots Typ PAC-3 haben eine Reichweite von 45km. Also Problem gelöst? Keineswegs, denn es handelt sich um mobile Systeme, die auf ein Werfer-Fahrzeug montiert sind. Diese müssen ja nicht 50km von der Grenze entfernt geparkt bleiben, sondern die Fahrzeuge können jederzeit näher an die Grenze heranfahren. Im Irak-Krieg 2003 bewegten sich die entsprechenden US-Patriot-Batterien flexibel mit den vorrückenden Truppen. Sollte die Bundeswehr sogar zwei Patriot-Batterien stellen, müsste sie zusätzlich auf ältere PAC-2-Systeme zurückgreifen. Diese haben ohnehin eine Reichweite von 160km. (Vergleiche hierzu Otfried Nassauers Beitrag „Symbolpolitik und die Solidarität – Patriot-Raketen für die Türkei“ auf www.bits.de)
Sobald die Patriot-Raketen in der Türkei stationiert sind, können sie also technisch für die Absicherung einer privat von der Türkei bzw. der NATO eingerichteten „Flugverbotszone“ über syrischem Gebiet genutzt werden. Passiert aber nicht, weil ein restriktives Mandat das ausschließe, wird sodann den KritikerInnen entgegengehalten. Von wem ist noch gleich das Mandat? Von der NATO selbst – nun, die kann ihre eigenen Beschlüsse jeden Tag ändern. Als öffentliche Rechtfertigung benötigt man dafür natürlich eine passende „Provokation“, die auch immer schnell bei der Hand ist. Um nicht zu weit in der Geschichte zurückzugehen, sei nur auf das Hula-Massaker von Juni 2012 verwiesen. Wie der FAZ-Korrespondent Rainer Hermann recherchiert hat, ist dieses ganz offensichtlich von Aufständischen verübt worden. Dennoch war es für die NATO-Staaten ein willkommener Anlass, um die diplomatischen Beziehungen zu Damaskus abzubrechen. Es handelt sich bei den Regime-Change-Bestrebungen in Syrien nicht um eine exklusiv türkische Unternehmung, sondern diese wird von der gesamten NATO tatkräftig unterstützt. Auch Deutschland ist mit Spionagebooten und Militärausbildern mit von der Partie. Warum soll ein NATO-Oberbefehl generell konfliktmindernd wirken, wenn alle NATO-Staaten den Konflikt eskalieren wollen?
Im Beitrag „Patriots nur unter klaren Bedingungen zur Verfügung stellen“ wird ein Perspektivwechsel angeregt bzw. das de Maizière-Argument „45 Jahre hat Deutschland von der Solidarität der Allianz profitiert“ variiert. Es „sollte auch berücksichtigt werden, wie die Argumente abgewägt werden würden, wenn die Bedrohungssituation und damit die Anfrage umgekehrt wäre.“ D.h. Deutschland würde Militärhilfe von der Türkei anfordern, weil es sich z.B. von Dänemark bedroht sähe. Hier wird vorausgesetzt, dass es sich bei der NATO um ein Verteidigungsbündnis handelt. In Wirklichkeit ist aber aus der NATO in den letzten 20 Jahren ein offensives Militärbündnis mit regionalen Ordnungsansprüchen geworden.
Statt das Dänemark-Beispiel noch mit einer friesischen Befreiungsfront zu bebildern, sei ein juristischer Perspektivwechsel empfohlen. Was die türkische Regierung seit 2011 real tut, erfüllt mutmaßlich bereits jetzt den Tatbestand einer Aggression gegen das Nachbarland Syrien. Denn die UN-Generalversammlung qualifizierte auch „das Entsenden bewaffneter Banden, Gruppen, Freischärler oder Söldner durch einen Staat oder in seinem Namen“ in der Resolution 3314 (XXIX) von 1974 als Aggression. Nun kann man natürlich sagen, in der Freien Syrischen Armee kämpften lauter untadelige Freiheitskämpfer, nur die Tausende islamistischen Kämpfer störten ein wenig. Aber es soll hier ein Zitat aus der FAZ vom 30.7.2012 genügen: „Dass der Syrische Nationalrat, der größte Dachverband der Opposition, den FSA-Kämpfern Gehälter zahlt und sie bei der Versorgung mit Waffen unterstützt, ist kein großes Geheimnis…“ Hinweisen möchte ich hier nur auf den umfangreicheren Beitrag „Syrischer Nelson Mandela noch nicht gefunden“.
Hinzu kommt, dass das türkische Parlament Beschlüsse gefasst hat, die die Regierung zu einem militärischen Eingreifen in den syrischen Kurdengebieten ermächtigen, wie dies in den irakischen Kurdengebieten immer wieder geschieht. Kurzum: Die Patriots sind so gesehen ein militärischer Beitrag im Rahmen einer von der NATO unterstützten Aggression, bei der die Türkei in der ersten Reihe steht.
Bei der gängigen Behauptung, „Russland und China blockieren bei Syrien im Sicherheitsrat“ mag ein weiterer Perspektivwechsel helfen. Im Juni wurde von der Syrien-Aktionsgruppe (unter Teilnahme aller UN-Veto-Mächte) die Bildung einer Übergangsregierung aus beiden Bürgerkriegsparteien vereinbart. Die NATO-Mächte wollen stattdessen inzwischen nur noch aus einer Bürgerkriegspartei eine Übergangsregierung bilden. Sie setzen auf den militärischen Sieg der Aufständischen. Deswegen ist der Sicherheitsrat real einmal mehr durch die USA, Britannien und Frankreich blockiert. Aber das Blutvergießen in Syrien kann nur gestoppt werden, wenn der UN-Vermittler Brahimi endlich auch die Unterstützung der westlichen Länder erhält. Dies ist leider nicht der Fall.
Wer eine Eskalation des Syrienkrieges durch den Einsatz von Patriots vermeiden will, belässt diese besser, wo sie zur Zeit sind: in Bad Sülze (Mecklenburg-Vorpommern).
Uli Cremer war Ende der 90er Jahre Sprecher der BAG Frieden und ist Autor des Buchs „Neue NATO: die ersten Kriege“ (2009).
3. Dezember 2012 um 13:28
Hallo Uli — auf dem Rückweg von Rostock, also gerade aus dem Schutz heraustretend, den mir die Patriots im Umkreis von Bad Sülze vor Deinem beißenden Humor gewährten, hier einige Reaktionen.
Ob die Patriots fahrbar sind oder geflogen werden müssen, scheint mir irrelevant — versetzt werden können sie natürlicher jederzeit, und was das verhindern soll, ist nicht ein NATO-Mandat, sondern ein Bundestagsmandat. Wenn das geändert werden soll, kann man ja dann dagegen stimmen.
Klar, regime change strebt in Syrien nicht nur die Türkei an. Das heißt aber nicht, daß die Staaten, die den regime change auch gerne sehen würden, ihn mit denselben Mitteln betreiben wie die Türkei. Der Rest der NATO war bisher deutlich zurückhaltender als die Türkei, was Einmischung in den Konflikt ohne VN-Mandat angeht; sie hat dafür gute Gründe, und es ist nicht abzusehen, dass sich das ändern wird. Insofern ist es durchaus ein Unterschied, ob die Patriots unter türkischem oder NATO-Befehl stehen; nicht weil die NATO gut und die Türkei böse ist, sondern weil die NATO insgesamt in dem Konflikt eine ganz andere Interessenabwägung zu treffen hat als die Türkei.
Was die Bedrohung aus Dänemark betrifft: Ein Perspektivwechsel ist ja nicht nur dann angebracht, wenn die umgekehrte Situation realistisch ist; im Gegenteil ist er grade dann einzufordern, wenn er sich nicht von selbst aufdrängt. Du würdest ja vermutlich auch zustimmen, daß wir bei WTO-Verhandlungen einen Perspektivtausch mit ärmeren Ländern vornehmen sollten, und nicht darüber spotten, daß wohl bei uns demnächst keine Hungerkatastrophen drohen.
Wir setzen keineswegs voraus, daß die NATO ein Verteidigungsbündnis ist. Ein Bündnis ist ja nicht entweder nur ein Verteidigungsbündnis oder nur ein "offensives Militärbündnis mit regionalen Ordnungsansprüchen". Die NATO hat offenkundig unter anderem auch einen Verteidigungscharakter (der übrigens seinerseits auch problematisch ist, weil dadurch auch gewaltförmige und ungerechte Strukturen verteidigt werden; Verteidigungsbündnisse sind genauso zweischneidig wie Defensivwaffen). Für das, was wir an der NATO kritisieren, können aber die Menschen in der Türkei relativ wenig; für sie ist die NATO im Moment tatsächlich in erster Linie ein Verteidigungsbündnis, das ihnen entweder beistehen kann oder nicht.; nur darauf bezog sich der Perspektivwechsel.
Eine türkische Aggression durch Entsenden kann ich nicht erkennen — finanzielle Unterstützung syrischer Aufständischer ist keine Entsendung externer SöldnerInnen, und auch in Deinem sehr detaillierten Beitrag, auf den Du verweist, hab ich keine schlimmere Einmischung finden können als die Aufnahme von Flüchtlingen und die Beherbergung deutscher AgentInnen.
Die türkische Selbstermächtigung zur Intervention ist natürlich völlig inakzeptabel. Darauf, daß sie angesichts des Verhaltens im Nordirak durchaus ernstzunehmen ist, hatten wir uns ja auch bezogen und u.a. daraus die Bedingung des NATO-Kommandos abgeleitet. Dafür, das als erste Reihe einer von der NATO unterstützten Aggression zu betrachten, sehe ich dagegen keine Grundlage; die Interessendivergenz zwischen der Türkei und der NATO insgesamt scheint hier in Deiner Analyse gar nicht vorzukommen.
Bei allen Meinungsverschiedenheiten sollte nicht untergehen, daß ich Deine kritische Haltung sehr schätze und mir wünschen würde, daß ein kritischerer Blick auf die NATO in der Partei verbreiteter wäre; insofern auch vielen Dank für diesen Beitrag.
Mit solidarischen Grüßen von der friesischen Befreiungsfront,
felix.
3. Dezember 2012 um 20:05
Freue mich über das Grußwort der friesischen Befreitungsfront und hoffe auf nicht-militärische Zusammenarbeit zumindest bei anderen Themen 🙂
Uli
7. Dezember 2012 um 15:25
GRÜNE und Patriots: Deeskalieren durch Miteskalieren?
Von Uli Cremer
Das vom Bundeskabinett verabschiedete Mandat vom 6.12.12 bestätigt, dass es zwischen der Bundesregierung und den beiden Oppositionsparteien GRÜNE und SPD keine tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Verlegung der Patriots an die syrische Grenze gab und gibt. Offenbar lehnt nur die LINKE die Maßnahme ab. Jürgen Trittin hat Zustimmung signalisiert, wenn die Bundesregierung auch noch die Stationierungsorte für die Patriots verrät. Auch andere GRÜNE Abgeordnete scheinen sich an den GRÜNEN BDK-Beschluss vom 16.11.12 zu Syrien nicht gebunden zu fühlen.
Einigkeit besteht darin, dass man dem „türkischen Wunsch“ nachkommen müsse, es bestehe eine Bündnispflicht (so auch Jürgen Trittin). Vertraglich gibt es dazu allerdings keine Grundlage: Der Bündnisfall nach Artikel V des NATO-Vertrages ist nicht ausgerufen und selbst wenn, gäbe es keine militärische Beistandspflicht. Andere NATO-Länder könnten auch das berühmte Beileidstelegramm schicken.
Die dem Wunsch zugrunde liegende Bedrohungsanalyse ist ebenfalls Konsens zwischen Regierung, SPD und vielen GRÜNEN: Die Türkei werde potentiell von Syrien bedroht, nicht umgekehrt. Dass die von der Türkei bestellten Waffen (die Patriots) gegen bisher erfolgte Granateinschläge auf türkischem Gebiet völlig ungeeignet sind, weiß jedeR, aber es ficht manche nicht an. Pünktlich zum Entscheidungstermin wurde noch eine weitere Bedrohung der Türkei durch syrische Chemie-Waffen konstatiert. Dem Assad-Regime wurde bedeutet, der Einsatz von Chemie-Waffen sei „eine rote Linie“. Bei Überschreitung: NATO-Militärintervention! Umgekehrt zog das Assad-Regime seine rote Linie und kündigte an, Chemie-Waffen gegen Staaten einzusetzen, die in Syrien militärisch intervenierten. Statt rote Linien zu beschwören, die am Ende in militärische Eskalationsspiralen und Eigendynamik führen, ist Deeskalation gefragt. Genau darum haben die Patriots an die syrische Grenze nichts zu suchen.
Der Zusammenhang zwischen Patriots und geplanter Flugverbotszone wird sowohl im NATO-Beschluss vom 4.12.12 wie auch im deutschen Kabinettsbeschluss ausdrücklich verneint. Das kann man glauben, muss man aber nicht.
Denn wie passt das dazu, dass gleichzeitig Medien wie New York Times und Spiegel über US-Militärplanungen berichten, mit 75.000 Soldaten in Syrien zu intervenieren und eine Pufferzone in Syrien einzurichten? „Mit logistischer Unterstützung der USA soll laut Milliyet die türkische Luftwaffe auch die Kontrolle des Luftraums über der Pufferzone übernehmen. Die deutschen Patriots wären in diesem Szenario dann dafür da, die türkische Luftwaffe gegen syrische Angriffe zu schützen.“ (Andreas Zumach in der taz vom 7.12.2012)
Und wie passt es dazu, dass NATO-Generalsekretär Rasmussen „eine Diskussion darüber eröffnet“ hat, „ob die Allianz Pläne für ein militärisches Eingreifen in Syrien erstellen solle“? „Dem Vernehmen waren Rasmussen selbst, die Türkei, Großbritannien und die Vereinigten Staaten dafür; Deutschland, Frankreich und viele andere Staaten waren eher dagegen.“ (FAZ 7.12.2012)
Unterhalb der Schwelle des offenen Einsatzes eigener Soldaten in Syrien mischen einzelne NATO-Staaten (auch Deutschland) gemeinsam mit Verbündeten wie Katar und Saudi-Arabien mit Spionageerkenntnissen, logistischer Unterstützung, Militärausbildern und Waffenlieferungen schon längst mit im syrischen Bürgerkrieg! In Riad trafen sich Anfang November 6 Tage lang Vertreter der Freien Syrischen Armee mit ausländischen Militärs. „Die ausländischen Offiziere kamen aus den USA, Jordanien, der Türkei, Katar, Saudi-Arabien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Alle gehören dem informellen Kreis der ‚Freunde Syriens’ an.“ Das schreibt das ND am 28.11.2012 unter Berufung auf einen Berichte der Beiruter Tageszeitung „Al Safir“. Es ist eben nicht so, dass die Idee einer „Flugverbotszone“ eine exklusiv türkische ist und man von daher die türkische Regierung davon abhalten müsse, das Projekt voranzutreiben. Die Idee wird seit Monaten von diversen „Freunden Syriens“ wie den USA, Frankreich und Britannien propagiert, wie man diversen Medienberichten entnehmen kann. Wenn, muss man auch noch weitere, nicht unwichtige NATO-Staaten davon abhalten zu eskalieren. Es geht nicht allein um „Einhegung der türkischen Regierung“.
Einmal angenommen, Deutschland habe den Wunsch zu deeskalieren. Was wäre die geeignete Vorgehensweise, wenn man andere NATO-Staaten von der Eskalation abhalten will? Die Verlegung der deutschen Patriots, also die Bereitstellung militärischer Ausrüstung, die einer Flugverbotszone dienen kann, um eine Flugverbotszone zu verhindern? Wohl kaum. Eine Strategie „Verhindern durch mitmachen“ wird nicht funktionieren. Es ist es naiv zu glauben, dass dem militärischen Handeln der NATO durch politische Beschlusstexte der NATO selbst irgendwelche Fesseln angelegt würden. Diese kann sie jeden Tag selbst ändern. Auch der „restriktive“ Bundestagsbeschluss, der eine Flugverbotszone im ersten Schritt ausschließt, ist schnell von der NATO ausgehebelt, wenn „neue Umstände“ es erfordern. Oder glaubt jemand ernsthaft, die Bundesregierung würde einen neuen NATO-Beschluss verhindern? Wenn doch, würden OppositionspolitikerInnen von SPD und GRÜNEN wieder rufen: Sonderweg! Deutschland isoliert sich! Nach der Libyen-Enthaltung schert Deutschland schon wieder aus dem westlichen Lager aus! Mit der Stationierung der Patriots beginnt die Rutschpartie. Deswegen: Wehret den Anfängen!
Der GRÜNE MdB, Omid Nouripour, hat davor gewarnt, die Patriots-Raketen zu nahe an der Grenze zu stationieren. Gefahr dabei: Sie könnten militärisches Ziel der Aufständischen werden, um die NATO in den Krieg hineinzuziehen. Die bisher diskutierten, aber im deutschen Mandat nicht festgeschriebenen Stationierungsorte befinden sich allerdings so weit entfernt von der Grenze, dass die Gefahr nicht wirklich besteht. Zweiter Effekt: Die Patriots haben nur eine begrenzte Reichweite, also könnten sie Syrien technisch gar nicht erreichen. Aber diese technische Grenze existiert nicht, denn die Patriot-Raketen sind mobile Systeme. Sie sind auf Fahrzeugen stationiert, die jederzeit weiter an die Grenze oder auch über die Grenze fahren können. Es ist belanglos, wo sie anfangs stationiert sind. Im Irak-Krieg 2003 bewegten sich die US-Patriot-Einheiten flexibel mit der vorrückenden Front. Die einzig sinnvolle friedenspolitische Option ist, die Patriots dort zu belassen, wo sie jetzt sind: in Bad Sülze.
In das deutsche Mandat sind wie erwartet auch AWACS-Systeme integriert. Deswegen lautet das Mandat auf 400 Soldaten, nicht nur auf 170 für zwei Patriots-Batterien. Für die deutsche Öffentlichkeit hat die Bundesregierung in ihr Mandat geschrieben, dass „die bodengebundene Luftverteidigung… nicht in den syrischen Luftraum hinein wirken“ wird. Die Absicht ist auf die Patriots als entsprechende Systeme gemünzt. Nur was ist mit den AWACS, die bekanntermaßen keine bodengebundenen Luftverteidigungssysteme sind? Das Mandat untersagt deren militärische Aufgabe, den syrischen Luftraum auszuspähen, ausdrücklich nicht. Wer nutzt die durch die AWACS gewonnenen Aufklärungserkenntnisse? Sicher auch die syrischen Aufständischen – genauso wie diese bereits von den Spionageerkenntnissen des BND-Flottendienstbootes im östlichen Mittelmeer profitierten. Insofern dient das Mandat der weiteren Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg und ist auch deswegen abzulehnen!
Uli Cremer, 7.12.12
Weitere gute Argumente und ein Aufruf GRÜNER Mitglieder gegen die Patriots finden sich unter: http://www.gruene-friedensinitiative.de
3. Dezember 2012 um 18:53
"Auch die Grünen-Außenexpertin Kerstin Müller äußerte sich positiv: „Meine persönliche Tendenz ist eher die, dem zuzustimmen“, sagte sie nach einer Unterrichtung des Auswärtigen Ausschusses durch Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. Einige Fragen müssten aber noch geklärt werden." Das Kerstin Müller überall dabei ist, wo es knallt, blitzt und raucht, dürfte sich allmählich herum gesprochen haben. Es ist ihrem nicht unmassgeblichen Einsatz zu verdanken, dass die Mehrheit der Delegierten in Hannover sich für eine Variante des Beschlusses zu r2p entschieden hat, die fordert, die UN solle sich dahingehend verändern, dass die Generalversammlung das "letzte Wort" bei blockiertem Sicherheitsrat haben soll. Diesen Fall haben wir in Sachen Syrien. Ein Mandat der UN, gar ein militärisches, ist nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund jedoch die Gefahr einer "NATO-Selbstermächtigung" zum Eingreifen erst gar nicht zu erwähnen, auch sonstige Begleitumstände wie die Stationierung von dazu gehörigem Personal im Krisengebiet unerwähnt zu lassen, oder es auszulassen, die unterschiedlichen Interessenlagen (u.a. die Verstärkung des "Kampfes" gegen "kurdichen Terrorismus" in den Kurdengebieten) in der Öffentlichkeit zu erörtern, liegt da ganz auf der "neuen" Linie. Das Statement von Felix und Tim hingegen formuliert Bedingungen an die Zustimmung eines Einsatzes der Patriots, sie haben also die Vorstellung, den Hilfeersuchenden (den NATO Partner Türkei), zu "konditionieren". Die "Konditionierung" ist aus deren Perspektive notwendig, weil sie dem NATO-Partner nicht trauen. Felix beschreibt das in seinem Kommentar als "kritischen Blick auf die NATO", den er sich bei den Grünen "verbreiteter" wünscht. Dies scheint mir doch eher der bei uns Grünen beliebten, der nachhaltigen Selbsttäuschung dienenden, "Wünsch dir Was – Liste" zu entstammen, die die Wirklichkeit recht regelmäßig mit dem unter uns Älteren bekannten "You can't always get what you want" (von den gealterten "Jungs" mit der passenderweise im Logo geführten roten, raus gestreckten Zunge, popularisiert) beantwortet, zu entstammen. Umfangreichere Konflikte bis hin zu lang andauernden Kriegen entstanden häufig mit scheinbar harmloser Einlösung von ebenso scheinbar verantwortbaren "Bündispflichten" … Die Türkei lies unterdessen bereits am 22.11. verlautbaren, dass selbstredend ihre Militärs die Befehlsgewalt über diese Patriots beanspruchen (FAZ, 22.11. online, "Türkei beansprucht Kommandogewalt"). Das sagt mehr über die Erfolgsaussichten von Konditionierungsversuchen, als den beiden Autoren lieb sein dürfte.
Simon Lissner
(Mitglied des Kreisvorstand, Limburg-Weilburg)