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Frage 9 – Thema: Umverteilung

Frage: Wir Grüne stehen für die Stärkung des Gemeinwesens. Wir fordern dazu un­ter anderem eine sozial gerechte Steuerpolitik, eine Heranziehung großer Vermögen zur Bewältigung der Kosten der Krise, eine  Reform der Erb­schaftssteuer und Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Wie wichtig ist für Dich Umverteilung als Bedingung für den Eintritt in eine Regierungskoali­tion?

Antwort:

Katrin Göring-Eckardt: Der vierte Armuts- und Reichtumsbericht macht es mehr als deutlich: der private Reichtum in Deutschland wird immer größer: die Reichsten werden trotz Finanzkrise immer reicher und der Staat immer ärmer. Deshalb finde ich die Vermögensabgabe wichtig und richtig. Mit der Vermögensabgabe für die besonders Leistungsfähigen sind wir Grüne die Einzigen, die einen sinnvollen Vorschlag zur Schuldenreduzierung innerhalb der Finanzkrise gemacht haben, während Schwarz-Gelb beim Abbau der Neuverschuldung nur bei den Schwächsten spart. Außerdem bin ich der Meinung, dass starke Schultern wieder mehr Einkommensteuer zahlen sollen als heute, deshalb unterstütze ich unseren Vorschlag für einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent.

In den nächsten Jahren erbt ca. ein Prozent aller Kinder 25 Prozent des gesamten Vermögens, während ein Drittel aller Kinder von ihren Eltern nichts erben. Hier bedarf es einer Umverteilung zu Gunsten der Bildungs- und Chancengerechtigkeit. Ich finde es richtig, die schwarz-gelben Beschlüsse, die reiche Erbinnen und Erben begünstigen, rückgängig zu machen und bei der Erbschaftssteuer etwa das Niveau der USA zu erreichen. Dies  würde eine Verdoppelung der Einnahmen bedeuten.

Die Umverteilung reduziert sich natürlich nicht nur auf materielle Ressourcen, sondern ist immer auch eine Umverteilung von Chancen und Möglichkeiten, das heißt Bildung, Teilhabe und Beteiligung muss für Jede und Jeden möglich sein.
 

Patrick Held:  Die Antworten von Patrick Held sind nur als .pdf verfügbar. Hier geht es zu seinen Antworten.

 

Nico Hybbeneth: Die Krise zeigt deutlich: Wir müssen weg von neoliberaler Wirtschaftspolitik hin zu einer gerechten sozialen Gesellschaft. Wenn wir dieses Thema nicht umsetzten können haben wir in meinen Augen keine Regierungsberechtigung.

 

Roger Kuchenreuther: Ökologie ist für mich zZ. wichtiger als Umverteilung, allerdings wäre es echt naiv zu glauben die ökologische Wende könnte ohne gesellschaftspolitische Änderung bei der Vermögensverteilung, der politischen Machtausübung und der og. Vergesellschaftung großer Konzerne vor sich gehen. Bei Verschärfungen des Steuerrechts ist grundsätzlich zu beachten, dass Ausnahmetatbestände eingeschränkt und Steueroasen ausgetrocknet werden müssen; wünschenswert wäre natürlich ein zumindest europäisch abgestimmtes, gemeinsames Vorgehen, sonst wird es nur zu Abwanderungen, Kapitalabflüssen und langfristig geminderten Steuereinnahmen kommen. Persönlich: Volksenscheid, Vermögnssteuer ja; Einkommensteuer auch 60% aber bei Einkommen ab sechsstellig.

 

Renate Künast: Breite Schultern müssen mehr tragen. Das wird ein Leitmotiv einer Regierung sein, der wir angehören. Für uns Grüne sind Gerechtigkeitsfragen mehr als Umverteilungsfragen allein.

Für mich steht jedoch fest: ohne Umsteuern vom schwarz-gelben „wer hat, dem wird gegeben“ zu einer neuen gerechteren Verteilung zwischen schwächeren und stärkeren Schultern, werden wir auch die drängenden Probleme nicht lösen können: nicht den Schuldenabbau, nicht den Ausbau einer öffentlichen Infrastruktur, die für die Teilhabe und Entwicklung aller Menschen notwendig ist, nicht die Energiewende und nicht das Umsteuern in der Klimapolitik.

 

Alfred Mayer: Die Zeit ist soweit fortgeschritten, daß die Umkehrung der Umverteilung von unten nach oben unverzichtbare Bedingung einer Koalitionsregierung sein muß.

 

Markus Meister: Sehr wichtig, gerade auch weil es ja bei der SPD auf einen eher konservativen und wirtschaftsnahen Kanzlerkandidaten hinausläuft. Mein Grundsatz ist erstmal, jede Stunde Arbeit hat den gleichen Wert, egal ob jemand putzt, verwaltet, organisiert oder produziert. Dass das mit gleicher Lohnzahlung nicht umzusetzen ist, ist klar jedoch, wenn man diesen Grundsatz verfolgt, ist es für einen nur logisch, dass eine Gesellschaft nur funktioniert, wenn die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu weit auseinanderklafft und der der das Glück hat mehr zu verdienen, die unterstützen muss, die zumeist auch hart arbeiten aber viel weniger verdienen als er. Das heißt Vermögenssteuer, das heißt aber auch darüber hinaus eine wirkliche Steuer und Abgabengerechtigkeit im Gesundheitswesen, bei der Rentenversicherung und den übrigen sozialen Abgaben. Sollte das alles mit einer SPD nicht gehen, muss man weiter Opposition machen!

 

Claudia Roth: Umverteilung ist eine zentrale Bedingung für eine mögliche Koalition. Wenn in Deutschland zehn Prozent der Haushalte 53 Prozent des gesamten Nettovermögens auf sich vereinen und die untere Hälfte der Haushalte lediglich ein Prozent des Nettovermögens besitzt, steht die Gerechtigkeitsfrage mit allem Nachdruck im Raum. Auch der Staat verarmt zunehmend durch die Verschiebung von Vermögen zugunsten weniger Privatanleger. Wenn vor allem sie durch Rettungspakete, Schutzschirme, Bürgschaften und Garantien vor den Risiken der Krise geschützt werden, dann ist auch das eine Umverteilung von Unten nach Oben. Unser Gemeinwesen nimmt daran deutlichen Schaden, wenn wir nicht bald umsteuern. Es kann nicht sein, dass eine kleine Gruppe Vermögender immer mehr privates Kapital anhäuft, während Schwimmbäder schließen müssen oder kommunale Krankenhäuser keine ordentlichen Gehälter mehr bezahlen können. Immer mehr Menschen werden abgehängt, während die Gruppe der Reichen nicht ausreichend in die Verantwortung für das Gemeinwohl genommen wird. Und daran ändert sich auch nichts, wenn der Armutsbericht, vorgelegt von Ministerin von der Leyen, jetzt zur "Ressortabstimmung" in die anderen Ministerien geht, gerade so, als könne man über Armut abstimmen.

Gerade in diesen Monaten nehmen immer mehr Menschen diese Schieflage wahr. Breite Bündnisse in der Frage entstehen. Wir müssen hier dringend umsteuern, auch um langfristig unsere Demokratie zu schützen und das Vertrauen der Menschen in den sozialen Rechtsstaat zu festigen. Aus der Demokratie in der Krise darf keine Krise der Demokratie werden. Nur "Umfairteilung" schafft faire Spielregeln, um alle am gemeinsam erwirtschafteten Wohlstand teilhaben zu lassen. Hier müssen wir auch aus eigenen Fehlern lernen: Die Senkung des Spitzensteuersatzes und die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge unter Rot-Grün, verschärft durch die Union, waren der falsche Weg. Sie müssen rückgängig gemacht werden. Wir wollen eine steuerliche Umverteilung und eine Vermögensabgabe. Wir brauchen aber auch ein Programm gegen Armut, den flächendeckenden Mindestlohn, gleiche Löhne für Frauen und Männer, eine Garantierente und die Bürgerversicherung für eine gerechte Gesundheits- und Pflegefinanzierung.

 

Franz Spitzenberger:  Ich halte das Wort Umverteilung für falsch. Jede Einkommensgruppe hat gemäß ihrer Leistungsfähigkeit einen Beitrag zu leisten, so dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. Eine höhere Erbschaftssteuer, von der aber produzierendes Vermögen unter gewissen Voraussetzungen ausgenommen werden sollte, ist sinnvoll. Gewisse Punkte der unter Rot/Grün durchgeführten Steuerreform sollten zurückgedreht werden. Die Wählerinnen und Wähler erteilen das Mandat. Erst wenn das Wahlergebnis feststeht, ist zu entscheiden mit welchen Parteien wegen einer Regierungsbildung gesprochen werden soll. Die möglichen Schnittmengen werden sich dann ergeben. Vorher schon Positionen aufzubauen, die nicht gehalten werden können, ist nicht sinnvoll.

 

Jürgen Trittin: Materielle Ungleichheit ist über die Übertragungsriemen von Wettbewerb und Motivation in gewissem Maß förderlich für den Wohlstand aller. Und ein gewis­ses Maß an materieller Ungleichheit ist als Ergebnis unterschiedlicher Leistung legitim. Doch eine Gesellschaft mit zu großer Ungleichheit verliert den Rückhalt ihrer Mitglieder und kann ihre Potentiale nicht nutzen. Und das Ausmaß materi­eller Unterschiede ist heute durch „Leistung" nicht mehr zu rechtfertigen. Zu vie­le Anteile des Vermögensaufbaus sind über Zufälle, Erbschaften, Spekulationen erfolgt; zu viel Finanzerfolg bleibt ohne Bezug zu relevanter gesellschaftlicher Leistung. Die Rede, Leistung würde sich für die oberen Schichten in Deutschland bald nicht mehr lohnen, ist angesichts der Reichtumsentwicklung absurd. Die Leistungen vieler Arbeitnehmer hingegen, vom Niedriglohnbereich bis in die breite Mittelschicht, werden immer schlechter belohnt. Leistung muss sich loh­nen, auch für Pflegekräfte, Hebammen, Erzieher usw. Die in Eurer Frage genannten Maßnahmen sind maßvoll, wohlüberlegt und von den Wohlhabenden leicht zu bewältigen. Der private Wohlstand „der Bürger" ist in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren unaufhörlich gestiegen. Nach den Zahlen des neuen Armuts- und Reichtumsberichtes der Bundesregierung hat sich in diesem Zeitraum das Nettovermögen der privaten Haushalte mehr als verdop­pelt, auf über 10 Billionen Euro. Wohlgemerkt, nicht jeder fällt in diese Kategorie „der Bürger", deren Taschen vor dem Zugriff des „gierigen Staates" geschützt werden müssten. Der meisten Bürger Taschen sind leer. Die reichsten 10 Prozent unserer Gesellschaft besitzen zwei Drittel des gesamten Vermögens. Das reichste Tausendstel, also etwa 82.000 Menschen, besitzen nach Zahlen des DIW ein Netto-Vermögen von über 1.600 Milliarden Euro. Privater Reichtum bei öffentlicher Armut. Das können wir uns nicht länger leis­ten. Eine Beendigung der strukturellen Unterfinanzierung der öffentlichen Hand und das bedeutet zwingend auch Einnahmeverbesserungen – ist für mich Grundbedingung einer grünen Regierungsbeteiligung. Deshalb haben wir in die­sen Tagen den Gesetzentwurf zur Einführung einer Vermögensabgabe in den Bundestag eingebracht.

 

Werner Winkler: Sobald ein Staatswesen Steuern einnimmt, wird Umverteilung betrieben. In welchem Maße eine Regierung dieses Recht ausübt, sollte von den großen Zielen abhängen, die sie sich setzt und die Ziele wiederum von den drängendsten lösbaren Problemen, die sich in einer aktuellen Situation zeigen. Angenommen, ein rot-grünes Kabinett käme zum Schluss, dass ein wesentliches Ziel durch eine höhere Umverteilungsquote erreicht werden könnte, wäre es sicher ein Leichtes, das den Betroffenen zu vermitteln und dafür nicht nur eine Mehrheit im Bundestag, sondern auch in der Bevölkerung zu finden. Als auch unternehmerisch denkender Mensch würde ich selbstverständlich nicht nur auf die Einnahmen- sondern auch auf die Ausgabenseite schauen, also nachforschen, wo staatliche Ausgaben reduziert oder anders finanziert werden könnten, um so mehr Spielräume im Haushalt für zusätzliche Ausgaben zu generieren.

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