Die Entscheidung, ob Zypern als nächster Euro-Krisenstaat europäische Rettungsmilliarden erhält, rückt näher. Spätestens im März will die Eurogruppe darüber entscheiden. Wichtig für uns GRÜNE ist dabei, ob die Bedingungen des möglichen Hilfspaketes stimmen, und welche Konsequenzen wir dann daraus bei der entsprechenden Bundestagsabstimmung ziehen.
Nach meiner Überzeugung sollten wir Grünen folgende Kriterien zugrundelegen:
Die Europäische Union hat ein Interesse daran, dass Zypern Teil der Union bleibt. Das hat mit der strategischen Lage Zyperns im östlichen Mittelmeerraum zu tun, aber auch mit seiner schwierigen internen Konfliktlage. Ein zusätzliches spezifisches Interesse haben die Mitgliedstaaten der Währungsunion, dass kein Mitglied aussteigt aus dem Euro, weil das neues Mißtrauen bezüglich des Zusammenhalts der Währungsunion erzeugen und erneut zu einem Abfluß von Einlagen aus den Krisenländern würde. Außerdem ist die derzeitige Finanzierung des zyprischen Bankensektors über das europäische Zentralbanksystem (fast 10 Mrd. Euro so genannte ELA-Hilfen über die zyprische Zentralbank) keinesfalls nachhaltig. Es ist daher richtig, jetzt zügig den Hilfsantrag zu beantworten. Die Zentralbankhilfen sind als kurzfristige Überbrückung vielleicht in Ordnung, dass sie seit Juni zur Verfügung gestellt werden und in diesem Zeitraum bereits viele Geldgeber der zyprischen Banken gerettet werden, ist hingegen keine gute Vorgehensweise.
Jedes Hilfspaket muss auch ökonomisch sinnvoll sein. Hilfe, die nur neue Kreditlasten bringt ohne Aussicht auf eine Möglichkeit, diese Kredite zurückzuzahlen, verschiebt das Problem nur in die Zukunft. Deshalb muss sichergestellt sein, dass Zypern die europäischen Hilfskredite an die europäischen SteuerzahlerInnen auch zurückzahlen kann: Wenn Zypern die Mittel erhielte, die es im letzten Sommer beantragt hat, würde seine Schuldenquote von derzeit um rund 80% auf deutlich über 140%, möglicherweise fast 180 % seines BIP ansteigen. Zum Vergleich: Der IWF betrachtet im Fall Griechenlands eine Schuldenquote von 120% gerade noch als tragfähig, die bis 2020 erreicht werden soll und die derzeit bei etwa 150% des BIP liegt.
Das heißt: Wenn man nicht auf keineswegs sichere künftige Einnahmehoffnungen setzen will, etwa im Fall Zyperns auf möglicherweise zu höheren Staatseinnahmen beitragende Öl- und Gasvorkommen im Mittelmeer auf zypriotischem Hoheitsgebiet, hat man nur zwei Möglichkeiten, die Schuldenlast zu senken: Entweder müssen die europäischen Staaten zu echten Transfers bereit sein oder es muss im zyprischen Bankensektor und/ oder beim zyprischen Staat eine Schuldenreduktion geben. Ich halte vor diesem Hintergrund eine umfassende Beteiligung des Privatsektors zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit Zyperns für unerlässlich, bevor die europäischen Hilfen ausgezahlt werden. Die Bank-Gläubiger und auch Einleger oberhalb der gesetzlich garantierten Grenze sollten hier ihren Beitrag leisten.
Dagegen wird erwidert, dass das Ansteckungsgefahren mit sich bringen würde. Das ist allerdings eine abstrakte Befürchtung. In den USA hat es eine Gläubigerbeteiligung bei mehreren Bankenrestrukturierungen gegeben, ohne die Krise dort zu verschärfen. Warum soll das in Europa nicht möglich sein? Das gilt gerade auch bei großen Einlagen. Während es eine einzuhaltenden gesetzlichen Schutz bis 100.000 Euro gibt, ist nicht einzusehen, warum Einlagen über dieser Größe auch geschützt werden sollen. Für die breite Masse der Einleger gibt es damit keinen Grund zur Unruhe, nicht in Zypern, nicht anderswo. Denn die Privatleute haben selten mehr als 100.000 Euro bei einer Bank.
Zweitens geht es um Anpassungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Zyperns, um nach der Blase den aufgeblähten Finanzsektor wieder auf eine tragfähige Größe zurückzuführen. Derzeit ist er fast 8mal so groß ist wie die jährliche zyprische Wirtschaftsleistung, der europäische Durchschnitt liegt beim 3,5-fachen. Eine Bankenrestrukturierung führt in Richtung dieser Normalisierung. Dasselbe gilt für eine zweite Gruppe von Forderungen gegenüber Zypern, nämlich die Aufgabe seiner Eigenschaft als Steuer- und Geldwäscheoase. Auch dies reduziert die Größe des Finanzsektors. Zypern muss dazu seine bisherige Standort-Politik als Steueroase dauerhaft und überprüfbar beenden. Es kann und darf nicht länger sein, dass über Zypern Steuermilliarden europäischer Konzerne ins Ausland geschafft werden. Steuerschlupflöcher müssen geschlossen und der Dumping-Körperschaftsteuersatz von 10% deutlich angehoben werden. Richtwert sollte dabei der europäische Durchschnitt sein. Weitere GRÜNE Forderungen in der Steuerpolitik sollten u.a. die Einführung einer Quellensteuer von 15% auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren umfassen, die ins Ausland fließen. Vor allem die derzeitige Quellensteuerfreiheit von Zahlungen in außereuropäische Steueroasen muss beendet werden.
Auch Zyperns Positionierung als Geldwäschesalon für zweifelhafte Milliarden unter anderem aus Russland muss dauerhaft und nachprüfbar beendet werden. Zwar wehrt sich Zypern vehement und auf höchster politischer Ebene gegen die Vorwürfe, Geldwäschestandort zu sein. Aber wie sonst lässt sich erklären, dass Russland der wichtigste Investor in Zypern ist, und umgekehrt das kleine Zypern der größte Investor in Russland, wie Daten der russischen Zentralbank belegen[1]? Das riecht nach Geldwäsche im großen Stil. Es braucht daher eine europäische Mission, die die vollständige Umsetzung, Einhaltung und Kontrolle internationaler und europäischer Geldwäschenormen sicherstellt. Denn die vorliegenden internationalen Berichte zur Geldwäsche, auf die Zypern sich beruft, beruhen allein auf Selbstauskünften Zyperns, so dass deren Umsetzung offen bleibt. Außerdem gehört das zyprische Staatsbürgerschaftsrecht von Ausnahmen befreit, die es bisher erlauben, dass reiche Nicht-Zyprioten sich die zyprische Staatsangehörigkeit faktisch erkaufen können.[2]
Nicht zuletzt sollte Zypern ebenfalls eine Finanztransaktionssteuer einführen. Wer Hilfe für seinen Finanzsektor beantragt, sollte auch gemeinschaftlichen Projekten im Finanzmarktbereich seine Zustimmung nicht verweigern.
Ist es unfair, von Zypern solche Veränderungen zu verlangen, wo doch Irland seinen Niedrigsteuersatz von 12,5% behalten durfte, Deutschland auch 18 Jahre lang die EU-Geldwäschenormen ignoriert hat und auch andere Länder die Unternehmen zur Steuergestaltung einladen? Nein. Der grüne Maßstab der Fairneß sollte sich auch an der Perspektive derjenigen Menschen in den Mitgliedstaaten ornientieren, die die Hilfen gewähren sollen. Deswegen ist es richtig, in Zypern deutliche Veränderungen einzufordern und gleichzeitig auch die anderen Mitgliedstaaten auf dieselben Ziele zu verpflichten. Jedenfalls kann es schwerlich als Solidarität zwischen europäischen BürgerInnen interpretiert werden, wenn durch die Hilfen aus dem ESM die Gelder von Investoren mit teilweise zweifelhafter Reputation aus Drittstaaten gerettet werden.
Gerhard ist finanzpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion und Mitglied im Parteirat.
[1] vgl. Die Welt, 1. Februar 2013, „Moskaus großer Geldwaschsalon“
[2] vgl. http://www.sueddeutsche.de/politik/investorenparadies-zypern-dame-koenig-as-betrug-1.1569168-2
19. Februar 2013 um 15:23
Die Erfahrungen der europäischen Integration haben gezeigt, dass die Beitrittsverhandlungen zur EU wie auch die Verhandlungen zu Rettungspaketen die wenigen Momente sind, in denen wir effektiv auf andere Staaten Druck ausüben können, um eine Veränderung von Misslagen zu erzielen. Bei den Beitrittsverhandlungen mit Rumänien wurden beispielsweise große Fortschritte in der Menschenrechtspolitik erzielt und das Land hat sich von einer kommunistischen Diktatur zum EU-Mitglied mit relativ hohen Standards entwickelt. So haben wir auch im Fall Zypern die Gelegenheit, Fehler in der europäischen Finanzpolitik wieder gut zu machen, indem wir die Finanzhilfen als Druckmittel einsetzen. Dabei ist sicherlich entscheidend, das Verhältnis von Zuckerbrot und Peitsche so zu wählen, dass wir Zypern nicht als stabilen Partner in der EU und der Euro-Zone verlieren, aber dennoch klare Reformen auf der zyprischen Seite im Gegenzug erfolgen. Das ist ein Abwägungsprozess, den wir und insbesondere die Bundestagsfraktion vollziehen müssen, um dann auf den Entwurf für das Hilfsprogramm zügig und qualifizert reagieren zu können. Die Bedingungen, die Gerhard vorschlägt, scheinen mir vernünftig und durchsetzbar und ich finde es wichtig, im Wahlkampf sagen zu können, wir haben dem Hilfspaket nur unter diesen und jenen konkreten Bedingungen zu gestimmt.
19. Februar 2013 um 20:05
Klingt vernünftig, Gerhards Artikel. Zei ergänzende Ideen:
1. Wenn da viel Geld aus fragwürdigen Quellen liegt, könnte man auch auf die Idee kommen, z.B. nur 80% der Schulden zurück zu zahlen, soweit ein Erwerb aus legaler Quelle nicht nachgewiesen ist.
2. Wenn jemand meint, die Rohstoffaussichten seien werthaltig, könnte man den Gläubigern ja auch statt Geld Besserungsscheine geben, die aus (der Hälfte der) Rohstoffgewinne bedient werden.