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Für ein queer-feministisches Europa!

Gesellschaftliche Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit sind immer mit bestehenden Machtverhältnissen verbunden. Sei es im Kampf gegen patriarchale Machtstrukturen, beim Aufbrechen überkommener gesellschaftlicher Normierungen von Familie oder in der Unterstützung einer starken Zivilgesellschaft, die sich gegen gruppenbezogene Menschenfendlichkeit wie Homo- und Transphobie oder Sexismus stark macht.

Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit sind für uns in diesem Feld zentrale Anknüpfungspunkte. Wir formulieren eine Vision einer Gesellschaft, in der Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, sexueller Orientierung oder Identität, aber auch Fragen von Herkunft und kultureller Zugehörigkeit frei und selbstbestimmt leben können.

Die EU war in diesen Herausforderungen in den letzten Jahrzehnten eine starke Partnerin. Die Gleichstellung der Geschlechter ist schon sehr früh als erklärtes Ziel in den Verträgen verankert worden. Antidiskriminierungspolitik ist in vielen Mitgliedsstaaten erst aufgrund eines Drängens der EU zum Thema geworden.

Noch viel zu tun

Allerdings gibt es auch noch viel zu tun: Frauen wird nach wie vor der gerechte Lohn für ihre Arbeit vorenthalten, sie sind nicht gleichberechtigt repräsentiert in Wirtschaft und Politik und gleichgeschlechtliche Beziehungen und Regenbogenfamilien sind immer noch nicht gleichgestellt. Gerade hat in Kroatien eine 65%-ige Mehrheit der Teilnehmenden für ein Referendum – nach massiver Aufwiegelung durch die katholische Kirche – gestimmt, in dem die Ehe als “Verbindung zwischen Mann und Frau”  definiert werden soll. All diese Punkte zeigen, dass wir eine starke Stimme für queer-feministische Belange in Europa brauchen!

Der vorliegende Entwurf zum Europawahlprogramm schafft es, zentrale frauen-, gender- und queerpolitische Forderungen zu benennen und diese gleichzeitig in allen Politikfeldern zu mainstreamen – so zum Beispiel im Bereich von Außenpolitik mit dem Ziel, Frauen sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit als auch in der Sicherheitspolitik stärker einzubinden. Zentrale Punkte wie Gender Budgeting, Antidiskriminierungspolitik, Entgeltgleichheit oder eine verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten werden als Forderungen nach vorne gestellt.

Das Programm ist solide, ein paar Dinge kann man immer verbessern (so sollten in allen Beitrittsverhandlungen die Rechte von LGTBQ eine zentrale Rolle spielen), aber im Wesentlichen zeigt dieses Europawahlprogramm einmal mehr, dass wir Grünen immer noch die progressive, feministische Partei sind und uns auf allen Ebenen – von der Kommune bis nach Europa – für Emanzipation und gleiche Rechte stark machen.

Gendergerecht investieren

Allerdings gibt es zwei Punkte, die wir in europapolitischen Diskussionen – gerade vor dem Hintergrund der Krise und erstarkenden nationalistischen und reaktionären Bewegungen in Europa – im Hinterkopf behalten sollten:

Wenn wir über den Green New Deal sprechen und ein Investitionsprogramm für den Süden Europas fordern, dann müssen wir im Blick behalten, dass nicht unter dem Titel “Grüne Reindustrialisierung” ausschließlich in die Stahlindustrie zur Herstellung von Windräder investiert wird. Wir müssen aufmerksam sein, dass – wie in unseren Forderungen für ein Gender Budgeting – Frauen und Männer gleich von diesen Investionen profitieren und nicht nur Jobs in Branchen geschaffen werden, in denen 90 % Männer arbeiten. Viele der Kürzungen, die gerade im Zuge der rigiden Sparpolitik in den Krisenstaaten durchgesetzt worden sind, betreffen klassisch “weibliche” Berufsfelder: Den Gesundheitsbereich, die Bildung und den Sozialsektor. Deshalb darf die soziale Dimension des Green New Deal nicht in den Hintergrund rücken, sondern muss von uns Grünen europaweit unterstützt werden.

3, 2, 1 … action

Um neuen Schwung in die Frauen- und Queerpolitik in Europa zu bringen, brauchen wir außerdem nicht nur ein gutes Programm, sondern müssen vor allem im Wahlkampf sichtbar sein und Bündnisse schmieden. Gerade wenn in vielen europäischen Ländern – wie in Kroatien – reaktionäre und anti-europäische Kräfte stärker werden, müssen wir als Bewegungspartei und progressive Kraft, laut und klar unsere Forderungen kommunizieren.

Mit Gewerkschaften am Equal-pay-day, bei dem Deutschland immer noch europäisches Schlusslicht ist. Mit Frauenverbänden am Weltfrauentag, um Themen wie Gewaltschutz und eigenständige Existenzsicherung zentral in der öffentlichen Debatte zu positionieren. Und mit zivilgesellschaftlichen Organisationen europaweit, ob auf der Straße bei der Unterstützung von CSDs zur Durchsetzung von LGTBQ-Rechten oder bei Veranstaltungen zu Vernetzung und Austausch.

Nur wenn wir uns im Europawahlkampf und darüber hinaus aktivistisch mit der europäischen Zivilgesellschaft verbünden und mit queer-feministischen Bewegungen für unsere Forderungen auf die Straße gehen, werden wir es schaffen, unsere Forderungen umzusetzen und eine emanzipatorische Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen.

Deshalb: Auf in einen aktionistischen, queer-feministischen Wahlkampf!

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